Kurpfälzisches Museum Heidelberg

„Good ol’ Heidelberg“

› Es ist, als ob die Springerstiefel der Soldat*innen noch durch die Flure hallten und die Generäle erst vor Kurzem ihre Akten in Kisten gepackt und die holzvertäfelten Büros verlassen hätten. Im ehemaligen europäischen US-Hauptquartier finden sich noch überall Spuren der früheren Hausherren, angefangen von den Teppichböden mit den kleinen grafischen Mustern, wie sie die Amerikaner*innen so lieben, über eine Fahnenstange bis hin zum Kartenschrank.

All diese Dinge sind Relikte einer Zeit, als von hier aus die Viersternegeneräle insgesamt 250.000 US-Soldat*innen befehligten, die zeitweise in Europa stationiert waren. Wie viele andere Gebäude, die die US-Armee nutzte, geht auch der Bau mit den langen Gängen, dem Kaminzimmer und dem Ballsaal auf die NS-Zeit zurück: 1937 errichteten die Nazis das spätere US-Hauptquartier als „Großdeutschland-Kaserne“.

Mark Twain und Pfälzer Emigranten

Die US-Streitkräfte blieben von 1945 bis 2013 im Heidelberger Süden. Nachdem sie abgezogen waren, beschloss die Stadt, das repräsentative Hauptquartier in einen Ort zu verwandeln, der sich mit dem transatlantischen Verhältnis befasst. Mitte Mai hat nun das Mark Twain Center hier eröffnet. Auf 900 Quadratmetern Fläche hat der Leiter des Centers, Dr. Uwe Wenzel, in den vergangenen Jahren eine facettenreiche Präsentation entwickelt. „Wir wollen diese historische Bühne nutzen, um zurückzuschauen und nach vorne zu denken“, erläutert der Politologe und US-Experte den Anspruch des Hauses. Dabei konzentriert er sich nicht nur auf die jüngere Geschichte, sondern geht viel weiter in die Vergangenheit zurück. „Die Brücke ist wesentlich länger. Im 19. Jahrhundert sind viele aus ökonomischen Gründen aus der Pfalz ausgewandert. Amerikaner wie Mark Twain kamen als Touristen nach Heidelberg oder studierten an der Universität“, spannt Wenzel den zeitlichen Rahmen für die neue Begegnungsstätte.
  • kurpfälzisches museum heidelberg mark twain center
    Historischer Bau – Das ehemalige Keyes-Building, Sitz des US-Oberbefehlshabers für Europa, beherbergt seit diesem Jahr das Mark Twain Center.
Die Dauerausstellung ist jedoch nicht chronologisch, sondern nach Themen gegliedert: Neben Militärischem beschreibt sie, wie Heidelberg und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg demokratisiert wurden, wie das Schulleben oder der Alltag von Soldat*innen und Zivilbeschäftigten in der Kaserne aussah. Einen Fokus legte Wenzel auf Zeitzeug*innen, deren Erzählungen die Besucher*innen lauschen können. Ein wichtiger Aspekt, denn die Beziehungen der Einheimischen zu den stationierten US-Soldat*innen waren ambivalent. „Jede Generation“, erläutert Wenzel, „hat ihr eigenes Verhältnis entwickelt.“ Zwei über 80-jährige Senioren, die zu Wort kommen, haben den Einmarsch der US-Armee in Heidelberg noch erlebt. Sie erinnern sich unter anderem an die Charme-Offensive der G. I.s mit Kaugummis und Schokolade.

Protestmarsch der Heidelberger Mütter

Die ersten Protestmärsche organisierten überraschenderweise nicht Friedensaktivist*innen, sondern Heidelberger Mütter. Anfang der 1950er-Jahre gingen sie auf die Straße. Sie litten unter der Wohnungsnot in der Nachkriegszeit und demonstrierten gegen die Beschlagnahmung von Häusern durch die Amerikaner, die so Wohnraum für ihre Armee belegten. Die Kasernen Mark Twain und Patrick Henry Village waren damals noch nicht gebaut.

Präsentiert werden neben den Zeitzeugen-Interviews symbolträchtige Objekte, wie ein Polizeisäbel, der bei der Übergabe der Stadt 1945 dem ersten US-Offizier überreicht wurde, oder Teile einer 17 Meter langen Wandtapete, die den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg mit deutschen Beteiligten auf beiden Seiten darstellt. Über ein Tablet, das alle Besuchenden am Eingang bekommen, sind Texte, Dokumente, Filme und Fotos abrufbar und eine spannende Zeitreise möglich. ‹


„Join the Story — 200 Jahre transatlantische Perspektiven
Mark Twain Center, Römerstraße 162, 69126 Heidelberg
Mittwoch bis Sonntag, 13–18 Uhr
www.mark-twain-center.com

Bildnachweis:
StadtarchivHeidelberg / Nachlass Fritz Hartschuh (Protestmarsch); Dr. Uwe Wenzel (Mark Twain Center)

Kurpfälzisches Museum

Kunst und Kultur in der Heidelberger Altstadt bietet das Kurpfälzische Museum. Mit seinen vielfältigen Beständen und deren Schwerpunkten Archäologie, Gemälde und Grafiik, Kunsthandwerk und Stadtgeschichte lädt es zu einer faszinierenden Entdeckungsreise ein, von den ersten Siedlungsspuren im Rhein-Neckar-Raum bis zu Werken der Klassischen Moderne von Beckmann, Slevogt und Corinth. Die kostbaren Bestände des Kunsthandwerks — Silber, Porzellan und Möbel — können im historischen Palais Morass bewundert werden, der „Windsheimer Zwölfbotenaltar“ von Tilman Riemenschneider in einer Sonderpräsentation.
AdresseKurpfälzisches Museum // Hauptstraße 97 // 69117 Heidelberg // Telefon: 06221 58–34020 // E-Mail: kurpfaelzischesmuseum@heidelberg.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag 10–18 Uhr
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