Museum Sammlung Prinzhorn

Auf der Liste

> Im Jahr 1922 hatte Jean Dubuffet ein Erlebnis, das sein Leben verändern sollte. Dem französischen Künstler, der zu dieser Zeit in Paris Literatur, Sprache und Musik studierte und im Dunstkreis der Surrealisten erste bildnerische Werke schuf, war Hans Prinzhorns „Bildnerei der Geisteskranken“ in die Hände gefallen. Das Buch des Kunsthistorikers und Psychiaters Hans Prinzhorn, der von 1919 bis 1921 — während seiner Zeit als Assistenzarzt an der Psychiatrischen Klinik der Universität Heidelberg — Werke von Psychiatrieinsassen gesammelt hatte, beeindruckte den jungen Dubuffet nachhaltig. Als er sich mehr als zwei Jahrzehnte später — nach einer zwischenzeitlichen Karriere als Weinhändler — wieder der Malerei zuwandte, ging er auch selbst auf die Suche nach Kunst in Psychiatrien und begann eine eigene Sammlung, die heute ein Museum in Lausanne hat.

Roh und ungeschliffen

Die neue Ausstellung der Sammlung Prinzhorn befasst sich mit der Rezeption durch Jean Dubuffet im Jahre 1950. Dubuffet teilte Prinzhorns Ansatz. Auch er sah die wahre Kunst unberührt von „kultureller Kunst“ — unabhängig von etablierten Kunstformen und -strömungen — aus dem „eigenen Innern“ entstehen. Er prägte 1945 den weiter gefassten Begriff „Art brut“ dafür, im Sinne von roher, ungeschliffener, nichtakademischer Kunst. Psychische Erkrankungen der Künstler spielten für seine Sicht keine Rolle.

Am 11. und 12. September 1950 ließ sich Dubuffet eine Reihe an Werken aus der Sammlung Prinzhorn vor Ort in Heidelberg vorlegen, notierte sie in einer Liste, dazu in knappen Worten seine Beurteilungen. Diese Liste ist die Basis der Heidelberger Ausstellung, in der mit rund 120 Werken möglichst umfassend die Auswahl präsentiert wird, die Dubuffet bei seinem Besuch gesehen und kommentiert hat.

Was denken die Menschen heute?

In einem Kabinett der Sammlung stellt die in Heidelberg lebende Amerikanerin Janet Grau Dubuffets historische Rezeption in einen aktuellen Kontext: Wie sieht der Betrachter im Gegensatz zu Dubuffet diese Werke heute? Sind die Bewertungen des Franzosen für uns noch nachvollziehbar? Und darüber hinaus: Wie beurteilt der heutige unvoreingenommene Betrachter diese Werke künstlerisch?

Diesen Fragen geht Grau in ihrem Videoprojekt nach. Sie befragte eine Gruppe von Betrachtern und dokumentierte filmisch deren Sicht auf die von Dubuffet kommentierten Werke. In Bildbeschreibungen sollten die Betrachter — Kinder, Erwachsene, Kunstinteressierte, Laien, Wissenschaftler — auf die von Dubuffet beurteilten Arbeiten eingehen und ihre persönlichen Eindrücke schildern. Dabei wird nur die jeweilige Beschreibung dokumentiert, nicht das beschriebene Werk selbst. Der Betrachter des Videos ist wiederum gezwungen, sich anhand der gehörten Beschreibung sein eigenes Bild zu machen. <

Dubuffets Liste
bis 10. April 2016
Museum Sammlung Prinzhorn

Sammlung Prinzhorn

Die Sammlung Prinzhorn ist ein Museum für Kunst von Menschen mit psychischen Ausnahme-Erfahrungen. Ihr bekannter historischer Bestand umfasst rund 6.000 Zeichnungen, Aquarelle, Gemälde, Skulpturen, Textilien und Texte, die Insassen psychiatrischer Anstalten zwischen 1840 und 1945 geschaffen haben. Dieser weltweit einzigartige Fundus wurde zum größten Teil von dem Kunsthistoriker und Psychiater Hans Prinzhorn (1886–1933) während seiner Zeit als Assistenzarzt an der Psychiatrischen Klinik der Universität Heidelberg zusammengetragen. Seit 1980 wächst die Sammlung weiter (der neuere Bestand umfasst ca. 16.000 Werke). Das Museum zeigt jährlich drei bis vier thematische Ausstellungen und möchte damit zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankung beitragen. Als Teil des Universitätsklinikums Heidelberg ist das Haus auch eine wissenschaftliche Einrichtung, die das Schicksal der Künstler und Künstlerinnen, ihre Werke und übergeordnete Fragestellungen erforscht. Zu den bekanntesten KünstlerInnen der Sammlung zählen Harald Bender, Else Blankenhorn, Franz Karl Bühler, Paul Goesch, Emma Hauck, August Natterer und Adolf Wölfli.
TerminDO 17. Dezember 2015 bis SO 10. April 2016
AdresseSammlung Prinzhorn
 // Klinik für Allgemeine Psychiatrie // Universitätsklinik Heidelberg
 // Voßstraße 2
 // 69115 Heidelberg
 // Besucherinformation: 06221 / 56-47 39 // E-Mail: prinzhorn@uni-heidelberg.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag 11–17 Uhr, Mittwoch 11–20 Uhr, an geöffneten Feiertagen bis 17 Uhr


In den Umbauzeiten zwischen den Ausstellungen ist das Museum geschlossen!
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