Enjoy Jazz

Keep swingin’

› „Keep swingin’“ — als Archie Shepp mit diesen Worten sein Konzert und das letztjährige Enjoy Jazz Festival beendete, war das viel mehr als eine der üblichen Musiker-Floskeln. Es war der Abend nach den in ihrer Grausamkeit und Sinnlosigkeit kaum begreiflichen Anschlägen von Paris am 13. November 2015. Shepp war mit seiner neuen Attica Blues Big Band zu Gast im BASF-Feierabendhaus, die meisten der Musiker kamen gerade mit dem Zug aus der französischen Hauptstadt angereist, und man wusste nicht, wie nach dieser Schreckensnacht überhaupt ein Konzert über die Bühne gehen sollte.

Jazz und Politik

Die Antwort hätte wohl niemand sonst mit solcher Wucht und Kraft, Wut und Zärtlichkeit geben können. Archie Shepps Performance war rauschhaft, virtuos, entfesselt. Die Euphorie der Musiker schwappte über in den vollbesetzten Saal. Es war eine Stern- und Lehrstunde über die Macht der Musik. Die Worte „keep swingin’“ hatten nach diesem fulminanten Auftritt etwas Trostreiches, etwas Kämpferisches, etwas Unverzagtes, fast etwas Trotziges. Und sie waren zugleich ein Auftrag. Archie Shepp gehört ja zu einer Generation schwarzer Interpreten, die im Jazz — er selber spricht lieber von afroamerikanischer Musik — auch immer eine politische Dimension gesehen haben.

Kraft, Wut und Zärtlichkeit

Er stand mit John Coltrane, der 2016 seinen 90. Geburtstag feiern würde, auf der Bühne, als der sich der freien Musik zu öffnen begann. Und er hat die Blues-Wurzeln des Jazz in den letzten Jahrzehnten immer wieder stark gemacht. „Keep swingin’“ also — vielleicht das beste Motto für das 18. Enjoy Jazz Festival, das mit dem Schwung des letztjährigen Abschlusskonzerts in die neue Saison startet.

Für Festivalleiter Rainer Kern ist Shepp in der Geschichte von Enjoy Jazz eine der zentralen Figuren und eine Inspirationsquelle. Die Tradition, die Archie Shepp wie kaum ein Zweiter repräsentiert, bildet eine der Säulen des Festivals, zu der auch der 2015 verstorbene Ornette Coleman zählte. 2007 gewann er für seinen Auftritt bei Enjoy Jazz — ebenfalls im BASF-Feierabendhaus — den Pulitzerpreis. Weitere kommen beständig hinzu.

Die Kraft der Musik

Diese verschiedenen Säulen tragen immer wieder ein Programm, das an vielfältigsten ästhetischen Positionen, klanglichen Überraschungen, politischen Interventionen, Tradition und Innovation seinesgleichen sucht. Ins Zentrum aber führt jedes Jahr aufs Neue der Wunsch, die Musik als eine Kraft zu begreifen, die nicht allein unterhält, anregt, mitreißt, sondern außerdem irritiert und politisiert. Kein kleiner Anspruch, aber gerade in turbulenten Zeiten wie den heutigen ein immens wichtiger. Man darf sich auf die Oktober- und November-Wochen freuen, die musikalisch ganz im Zeichen des 18. Enjoy Jazz Festivals stehen werden: „Keep swingin’“! ‹

Der Vorverkauf von Enjoy Jazz hat bereits begonnen. Termine und Karten unter www.enjoyjazz.de

Enjoy Jazz Festival

Seit seiner Premiere 1999 hat sich Enjoy Jazz zu einem international renommierten Festival und zum größten Jazzfestival Deutschlands entwickelt. Neben Legenden wie Ornette Coleman oder Wayne Shorter präsentiert das „Internationale Festival für Jazz und anderes“ immer auch die Größen der jüngeren Jazzgeneration und spannt den Bogen zu angrenzenden Genres wie Weltmusik, Elektronik, Hip-Hop und Klassik. Komplettiert werden die rund 70 Konzerte durch Workshops, Matineen, Partys und Vorträge.
TerminSO 02. Oktober bis SA 12. November 2016
AdresseEnjoy Jazz GmbH // Bergheimer Straße 153 // 69115 Heidelberg // Tel: 06221 5835850 // E-Mail: info@enjoyjazz.de
SpielorteVerschiedene Orte in und rund um Heidelberg, Mannheim und ­Ludwigshafen
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