Festspiele Ludwigshafen

Shakespeare, Gantenbein und Pollesch

› Der Startschuss fällt mit einem Schwergewicht: Shakespeares düsterer Komödie „Maß für Maß“, inszeniert von Tilman Gersch, dem Intendanten des Theaters im Pfalzbau. Die Handlung spielt in Wien, das in einem moralischen Sumpf versinkt. Denn der liberale Herzog Vincentio scheint zu weich, milde und nachsichtig geworden zu sein. Deshalb gibt er vor, auf eine längere Reise zu gehen, und setzt den jungen aufrechten Lord Angelo als Statthalter ein. Dieser möchte hart durchgreifen, doch seine Werte geraten schnell ins Wanken.

„Es geht um Gerechtigkeit und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Eigentlich das Einfachste von der Welt: Bei anderen legt man hohe moralische Maßstäbe an, aber wenn einem die eigenen Begierden dazwischenkommen, drückt man schon mal ein Auge zu“, sagt Gersch. Der Pfalzbau-Intendant möchte eine lebendige, lustvolle, aber auch musikalisch reiche Inszenierung auf die Bühne bringen. Nina Petri übernimmt darin die Rolle des Herzogs, an ihrer Seite steht Josephine Thiesen, bekannt aus der Netflix-Serie „Die Kaiserin“.
  • Vorhang auf! – „Johann Holtrop“, eine Adaption des Romans von Rainald Goetz, ist bei den Festspielen ebenso zu sehen wie …
    (Foto: Tommy Hetzel)
  • … „Changes“ mit Anna Schudt und Jörg Hartmann oder …
    (Foto: Arno Declair)
  • … die Pollesch-Hommage „Der Schnittchenkauf“ von der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.
    (Foto: Apollonia Theresa Bitzan)
Ein weiteres Highlight ist ein Gastspiel des Berliner Ensembles: In „Mein Name sei Gantenbein“ kehrt Matthias Brandt nach 20 Jahren Abwesenheit ans Theater zurück. Die Bühnenfassung des Max-Frisch-Romans ist ein hundertminütiges Solo, inszeniert von Oliver Reese. Brandt wandert dabei durch einen holzvertäfelten Guckkasten. Für das gelungene Verwirrspiel mit Identitäten wurde er vom Publikum und den Kritiker*innen gefeiert. Im Roman fließen Erzählung und Erzähler, Geschichte und Wirklichkeit, wahres und falsches Ich immer wieder ineinander. Nur der Protagonist Gantenbein ist eine greifbare Person, gibt aber vor, blind zu sein. Die Menschen mögen ihn, weil sie seinen entlarvenden Blick scheinbar nicht fürchten müssen.

Kantige Figur und charismatischer Leader

Mit einer weiteren Adaption, dem Roman „Johann Holtrop“ von Rainald Goetz, zeigen die Festspiele harte Gesellschaftskritik. Holtrop ist eine kantige Figur, die zu einem charismatischen Leader aufsteigt und später tief fällt. Gersch beschreibt den Stoff als großen Beitrag zur Zeitgeschichte. Goetz stelle darin den Weg des Mannes dar, der den Ausverkauf des Karstadtkonzerns betrieben habe. Stefan Bachmann führt Regie. Die Produktion entstand ursprünglich für die Städtischen Bühnen Köln und wurde nun vom Burgtheater übernommen.

Hommage an René Pollesch

Last, but not least präsentieren die Festspiele eine Hommage an René Pollesch, der im vergangenen Jahr mit nur 61 gestorben ist. „Der Schnittchenkauf“ (Foto oben) basiert auf einem Buch Polleschs, das 2011 anlässlich der Ausstellung „René Pollesch: Der Dialog ist ein unverständlicher Klassiker“ in der Berliner Galerie Buchholz erschien. Inszeniert haben das Stück drei seiner Weggefährt*innen: die Schauspielerin Kathrin Angerer und ihre Kollegen Martin Wuttke und Milan Peschel. „Sein überraschender Tod hat uns noch einmal vor Augen geführt, welches Talent des deutschen Theaters da von uns gegangen ist“, betont Gersch, der in den vergangenen Jahren regelmäßig Pollesch-Produktionen in den Pfalzbau geholt hat. „Seine so amüsante wie moderne Erfindung des ‚Diskurs-Boulevardtheaters‘ hat über Jahre das Publikum begeistert.“ ‹


Festspiele Ludwigshafen
03. Oktober bis 13. Dezember 2025
Theater im Pfalzbau, Ludwigshafen
www.theater-im-pfalzbau.de


Nicht verpassen!

Changes
Im Zweipersonenstück von Maja Zade gibt es ein Wiedersehen mit dem Dortmunder Tatort-Ermittlergespann Anna Schudt und Jörg Hartmann. Bei der Uraufführung an der Schaubühne Berlin führte Thomas Ostermeier Regie. Schudt und Hartmann geben Nina und Mark, ein Paar, das das Engagement für eine bessere Welt sehr ernst nimmt. Sie ist Abgeordnete und möchte ein Frauenhaus retten. Er ist ein ehemaliger Wirtschaftsanwalt, der auf Grundschullehrer umsattelt und ein kleines Alkoholproblem hat.
06.12.2025, 19.30 Uhr & 07.12.2025, 18 Uhr, Theater im Pfalzbau

Goethes Faust — allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie
Kult-Status haben mittlerweile die Klassiker-Varianten von Barbara Bürk und Clemens Sienknecht am Schauspiel Hannover. Dieses Mal ist der heilige Gral der Germanistik, Goethes Faust, an der Reihe. Die Gretchenfrage und die Suche nach dem Moment des absoluten Glücks wird ins Gelsenkirchener Wohnzimmerbarock verlegt, wo der erste Goethe-Club den 100. Geburtstag des Goethe-Gedenksteins begeht.
21. & 22.11.2025, 19.30 Uhr, Theater im Pfalzbau

Die kleine Meerjungfrau
Unter Wasser sehen wir Menschen unscharf, Formen verschwimmen, Körpergrenzen lösen sich auf, alles kommt ins Fließen. Die „Fluid Fairy Fantasy“-Version des Hans-Christian-Andersen-Klassikers wirft einen Blick in die Welt der Nymphen, Nixen und Wassergeister. Bastian Kraft liest die Geschichte mit Schauspieler*innen des Schauspielhauses Zürich und Stars der Schweizer Drag-Szene.
13.12.2025, 19.30 Uhr, Theater im Pfalzbau
Bildnachweis:
Apollonia Theresa Bitzan („Der Schnittchenkauf“)

Festspiele Ludwigshafen

Die Festspiele Ludwigshafen sind eine feste Größe im Programm des Theaters im Pfalzbau. Jedes Jahr im Herbst präsentieren sie Schauspiel- und Tanzaufführungen auf höchstem Niveau. Neben einem hochkarätigen Tanzprogramm, das von einem externen Kurator oder einer Kuratorin ausgewählt wird, steht bei den Festspielen auch alljährlich eine renommierte deutschsprachige Bühne im Fokus, die sich mit mehreren Gastspielen in Ludwigshafen präsentiert. So waren in den vergangenen Jahren unter anderem das Wiener Burgtheater, die Münchener Kammerspiele oder das Deutsche Schauspielhaus Hamburg mit ihren Inszenierungen zu Gast.
TerminFR 03. Oktober bis SA 13. Dezember 2025
AdressePfalzbau Bühnen // Berliner Straße 30 // 67059 Ludwigshafen // Kartentelefon: 0621 5042558 // E-Mail: pfalzbau.theaterkasse@ludwigshafen.de
SpielortePfalzbau Bühnen
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