Hambacher Schloss

„Respekt vor der Geschichte“

› Ein kulturelles Erbe zu verwalten, ist keine einfache Aufgabe. Noch weniger eine immer ganz eindeutige. Anders als ein materielles, ist ein kulturelles Erbe immer wieder im Spiegel der Gegenwart neu zu verhandeln und muss sich auch kontroversen Auseinandersetzungen stellen. Diesen Auftrag, der zuletzt auch noch einmal 2015 mit der Verleihung des europäischen Kulturerbe-Siegels an das Hambacher Schloss verstärkt wurde, nehmen die Mitglieder der hiesigen Stiftung sehr ernst. Die Stiftung arbeitet daran, Menschen jeden Alters und aller Nationen an diesem Ort über die Demokratie in den Austausch zu bringen — sei es über die Dauerausstellung oder auch Diskussionsformate wie das SWR-Demokratieforum, die Hambacher Gespräche oder seit diesem Jahr auch die Autorengespräche der Hambacher Nachlese.

„Tendenz zur Enthemmung“

Und doch war zuletzt — bei allem Wunsch nach Austausch im Sinne des Hambacher Festes — eine Abgrenzung gefragt. Denn bereits zum dritten Mal veranstaltete im vergangenen Jahr eine Gruppe um den konservativen Ökonomen Max Otte eine Veranstaltung unter dem Titel „Neues Hambacher Fest“. Dieser Vereinnahmung tritt die Stiftung nun mit einer Stellungnahme und einer Reihe von Maßnahmen entgegen: „Mit Sorge beobachten wir, wie in jüngster Zeit das Hambacher Fest, aber auch das Gedenken an andere Ereignisse und Personen der deutschen Geschichte von rechtspopulistischen, teilweise nationalistischen Kräften vereinnahmt werden“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Hambacher Schloss und rheinland-pfälzische Kulturminister Konrad Wolf auf einem Pressegespräch im Mai. „Hierbei ist eine Tendenz zur Enthemmung zu beobachten, die jeden Respekt vor der Geschichte und auch ihren Opfern vermissen lässt. In unserer Stellungnahme widersprechen wir einer solchen, rein politisch motivierten Vereinnahmung unserer Geschichte.“

Die Stiftung, so Wolf weiter, habe bereits rechtliche Schritte eingeleitet, um die Nutzung des Namens „Neues Hambacher Fest“ für diese Form der politischen Veranstaltungen zu untersagen. Laut geänderter Satzung vom Dezember 2020 muss die Nutzung des Hambacher Schlosses dem friedlichen, freiheitlichen und solidarischen Geist des Hambacher Festes und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland entsprechen. Beim Hambacher Fest kamen im Jahr 1832 rund 30.000 Menschen aus Deutschland, Frankreich und Polen zusammen. Seitdem ist das Schloss Symbol für den Kampf für bürgerliche Freiheiten, Gleichheit, Toleranz und Demokratie.

Das Hambacher Schloss als Ort der Demokratiearbeit

Der Historiker Kristian Buchna, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung und für die Bereiche Ausstellung, Veranstaltungen, Forschung sowie Vermittlung verantwortlich, sieht die Programmarbeit auf dem Schloss als wichtigen Baustein, um den Ort und seine Geschichte vor Vereinnahmung zu schützen. „Unsere Programmarbeit zielt darauf ab, die Verbundenheit mit unserer Demokratie in der kontroversen Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte und Gegenwart zu stärken. So werden wir etwa in einem ‚Hambacher Gespräch‘ über den Wert der Geschichte für unsere Demokratie diskutieren“, betont Buchna. Ferner werden gemeinsam mit dem Verein „Gegen Vergessen — Für Demokratie“ Workshops sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für die Mitarbeitenden der Stiftung durchgeführt, in denen es um den Umgang mit Hassbotschaften und ausgrenzenden Äußerungen geht. Den Rahmen dieser Veranstaltungen bildet die Demokratiewoche der Stadt Neustadt an der Weinstraße, die vom 12. bis 16. Juli 2021 stattfinden wird. ‹

Die vollständige Stellungnahme, die überarbeitete Stiftungssatzung, das neue Leitbild der Stiftung sowie die Besucherordnung finden Sie unter www.hambacher-schloss.de.


Hambacher Gespräche — „Umkämpfte Vergangenheit. Vom Wert der Geschichte für unsere Demokratie“
Es diskutieren Prof. Dr. Magnus Brechtken, stellvertretender Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, und Dr. Enrico Brissa, Protokollchef des Deutschen Bundestages und Autor des Buches „Flagge zeigen! Warum wir gerade jetzt Schwarz-Rot-Gold brauchen“, unter der Moderation von Dr. Kristian Buchna, Stiftung Hambacher Schloss. Die Hambacher Gespräche sind eine gemeinsame Veranstaltung des Frank-Loeb-Instituts an der Universität in Landau, der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz und der Stiftung Hambacher Schloss.
13. Juli 2021, 19 Uhr, Hambacher Schloss
hambacher-schloss.de
Bildnachweis:
Kai Mehn

Hambacher Schloss

Seit im Mai 1832 zum ersten Mal die schwarz-rot-goldene Fahne auf dem Kastanienberg bei Neustadt wehte, gilt das Hambacher Schloss als Wiege der deutschen Demokratie. Heute ist das Schloss eine nationale Gedenkstätte, die mit der Dauerausstellung „Hinauf, hinauf zum Schloss!“ interessante Einblicke in die deutsche (Demokratie-)Geschichte bietet. Bei Veranstaltungsreihen wie den Hambacher Gesprächen, dem Hambacher Disput oder dem Demokratie-Forum Hambacher Schloss sind regelmäßig renommierte Gäste vor Ort, die aktuelle politische Themen beleuchten und diskutieren. Abgerundet wird das Programm durch Sonderausstellungen, Kulturevents (Kabarett, Kindertheater und Konzerte ) und Gastveranstaltungen wie dem Hambacher Fest-Bankett. 2015 wurde die Gedenkstätte Hambacher Schloss als erst zweite Institution in Deutschland mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet.
AdresseStiftung Hambacher Schloss // 67434 Neustadt an der Weinstraße // Telefon: 06321 926290 // E-Mail: info@hambacher-schloss.de
Öffnungszeitentäglich von 10 bis 18 Uhr (April bis Oktober) und von 11 bis 17 Uhr (November bis März)
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