Schlösser und Gärten Hessen

Der fliegende Graf

› „Hier landete mit seinem Luftschiff Graf Zeppelin auf seiner ersten Dauerfahrt am 4. August 1908“, heißt es lapidar auf dem massiven Denkmal im Treburer Ortsteil Geinsheim. Dass der Stopp hier am Rhein unfreiwillig war, verschweigt die Inschrift. Doch wäre der Stein wahrscheinlich nicht gesetzt worden, hätte nicht das Desaster, in dem die Dauerfahrt des großen Luftfahrtpioniers einen Tag später endete, gleichzeitig den Beginn einer Ära markiert.

Euphorischer Jubel für das Luftschiff

Die denkwürdige Geschichte, von der das Denkmal erzählt, ohne sie zu erwähnen, beginnt an jenem Augusttag um 6.22 Uhr: Das Luftschiff des Grafen, Typ LZ 4, erhebt sich von Friedrichshafen aus in die Lüfte. Die Nachricht über den Start verbreitet sich per Telefon und Telegraf in ganz Deutschland. Zeitungen und Zeitschriften geben Extrablätter heraus. Über Friedrichshafen lenkt Kapitän Georg Hacker das LZ 4 zunächst über den Bodensee Richtung Basel. An Bord sind Graf Zeppelin sowie einige Passagiere und Mitarbeiter. Euphorisch bejubelt die Bevölkerung den Zeppelin am Himmel, der nun dem Verlauf des Rheins bis Straßburg folgt. Auch dort tummelt sich eine Menschenmenge. Kutschen und Autos eskortieren das Luftschiff spontan einige Kilometer, Flussschiffe schicken mit ihren Dampfpfeifen Grüße an die Kollegen der Lüfte.

Vom Narren zum Helden

Ferdinand Adolf August Heinrich Graf von Zeppelin hatte sich seit seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst 1890 ganz dem Bau eines starren Luftschiffs für militärische Zwecke mit einem kompletten Skelett aus Trägern und Streben verschrieben. Für sein Vorhaben musste der damals 52-jährige ehemalige Generalleutnant Hohn und Spott einstecken. Die Bevölkerung verspottete ihn als Narren, eine von Kaiser Wilhelm II. eingesetzte Sachverständigenkommission lehnte seine Pläne ab. Doch Zeppelin nutzte seine adlige Herkunft geschickt, um Spenden zu akquirieren. Auch der durchaus technikaffine Kaiser steuerte 6.000 Mark bei. Mit dem gesammelten Geld gründete Zeppelin 1898 die „Gesellschaft zur Förderung der Luftschifffahrt“. So konnte das Luftschiff Zeppelin 1, kurz LZ 1, gebaut werden. Am 2. Juli 1900 absolvierte es seine 18-minütige Jungfernfahrt. Nach zwei weiteren Fahrten war das Kapital des Unternehmens aufgebraucht. Unter anderem durch den Einsatz seines privaten Vermögens und die Einkünfte einer speziellen staatlichen Lotterie konnte Graf Zeppelin den Bau weiterer Luftschiffe finanzieren. 1908 schließlich wurde LZ 4 gebaut, dessen Tauglichkeit mit einer 24-Stunden-Fahrt an jenem 4. August bewiesen werden sollte.
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    Erfolg trotz Scheiterns: Das Denkmal im südhessischen Trebur erinnert …
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    … an die Notlandung des Zeppelins, bevor er am nächsten Tag bei Stuttgart in Flammen aufgeht.(Fotos: Michael Leukel)
Nach zunächst reibungsloser Fahrt treten kurz vor Worms erstmals Motorprobleme auf. Gegen 18 Uhr muss das Luftschiff in Trebur notlanden. Die örtliche Bevölkerung eilt schnell herbei — Hilfsbereitschaft verbindet sich mit der Neugier, das Wunderwerk der Technik und den großen Luftfahrtpionier mit eigenen Augen zu begutachten. Der Motorschaden wird behoben und das Gewicht des Zeppelins reduziert — die sommerlichen Temperaturen haben zu einem größeren Verlust des tragenden Gases geführt. Kapitän Georg Hacker und einige der Passagiere verlassen das Gefährt. Graf Zeppelin steigt um 22.25 Uhr wieder auf. Wegen erneuter Motorprobleme muss das Luftschiff gegen 7 Uhr in Echterdingen bei Stuttgart zum zweiten Mal unplanmäßig landen. Auch hier gelingt die Reparatur, doch kommt es zum großen Unglück: Eine Gewitterböe reißt den Zeppelin aus seiner Verankerung und schleudert ihn in nahe gelegene Obstbäume. Dort fängt er Feuer und explodiert.

Das „Wunder von Echterdingen“
Glücklicherweise wird niemand verletzt, Graf Zeppelin ist aber erneut am Ende seiner finanziellen Möglichkeiten. Doch dann geschieht Gewaltiges, das als „Wunder von Echterdingen“ in die Geschichte eingeht: Die nach zahlreichen Presseberichten initiierte „Zeppelinspende des deutschen Volkes“ bringt mehr als sechs Millionen Goldmark — umgerechnet 36 Millionen Euro — ein. Der Graf wird nicht mehr ausgelacht, sondern als Held gefeiert. Noch im November 1908 verleiht ihm Kaiser Wilhelm II. mit dem Schwarzen Adlerorden die höchste preußische Auszeichnung und nennt ihn „den größten Deutschen des Jahrhunderts“. Zeppelin selbst bezeichnet später den 5. August 1908 als die „Geburtsstunde der nationalen Luftschifffahrt in Deutschland“.

Bereits ein Jahr später wurde das aus Bruchsteinen gefügte Denkmal in Trebur gesetzt. Die genauen Umstände der Landung waren aus damaliger Sicht unbedeutend. Das Denkmal zeugt vielmehr vom Stolz des Ortes, Schauplatz einer kleinen Episode in der großen Erfolgsgeschichte des Luftfahrtpioniers Graf Zeppelin gewesen zu sein, die von diesem Tag ausging. ‹


Das Zeppelindenkmal in Kornsand, 65468 Trebur, ist das ganze Jahr über frei zugänglich.
Bildnachweis:
Landesarchiv Baden-Württemberg (Graf Zeppelin)

Staatliche Schlösser und Gärten Hessen

Das UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Lorsch ist das bedeutendste Bauwerk, das die Hessische Schlösserverwaltung in der Metropolregion Rhein-Neckar betreut. Sein Freilichtlabor Lauresham zieht wie auch der romantische Staatspark Fürstenlager in Bensheim-Auerbach Jung und Alt an. Außerdem gehören auch die Burgen Auerbacher Schloss und Hirschhorn zum Einzugsgebiet der Hessen sowie das Erbacher Schloss mit den gräflichen Sammlungen und dem Deutschen Elfenbeinmuseum. Ein weiteres Kleinod ist die Einhardsbasilika in Michelstadt-Steinbach, eines der letzten Beispiele authentisch erhaltener karolingischer Architektur.
AdresseStaatliche Schlösser und Gärten Hessen // Schloss // 61348 Bad Homburg v.d.Höhe // Telefon: 06172 9262-0 // E-Mail: info@schloesser.hessen.de
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