Schwetzinger SWR Festspiele

„Wir wollen konfrontieren und vermitteln“

› Frau Hoffmann, die Schwetzinger SWR Festspiele locken Besucher nicht nur durch ihr hochkarätiges Musikprogramm, sondern auch durch das einzigartige Ambiente des Schwetzinger Schlossgartens. Haben Sie schon einen persönlichen Lieblingsort für sich entdeckt?

Da muss ich nicht lange nachdenken: Der Schlossgarten bietet zwar ganz viele wunderschöne Ecken und spannende Ausblicke, mein absoluter Lieblingsort ist aber der Obstgarten zur Zeit von Kirsch- und Narzissenblüte.

„Ich arbeite gerne anhand definierter Themen, weil sie mich zum einen zum Denken anregen und zur Disziplin zwingen.“


In Ihrer ersten Saison steht das Festivalprogramm unter dem Motto „Leidenschaft“. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Ein Festival, das sich wie die Schwetzinger SWR Festspiele über mehrere Wochen erstreckt und noch dazu unterschiedliche Genres präsentiert, braucht meiner Meinung nach einen roten Faden, ansonsten besteht die Gefahr der Beliebigkeit und Orientierungslosigkeit. Ich arbeite gerne anhand definierter Themen, weil sie mich zum einen zum Denken anregen und zur Disziplin zwingen, zum anderen können sie in der Kommunikation nach außen hilfreich sein.


Und wie kamen Sie konkret auf die Leidenschaft?

Das Motto „Leidenschaft“ ist von unserer Musiktheateruraufführung inspiriert, bei der es um den leidenschaftlichen existenziellen Konflikt zweier Liebender geht. Selbstverständlich fassen wir das Thema aber weiter. Schließlich gelingt ganz allgemein ohne leidenschaftliche Hingabe an eine Aufgabe nichts Großes — wer wüsste das besser als Komponisten, Sänger oder Instrumentalisten? Der Begriff umfasst aber auch eine andere, eine dunkle Seite: Leiden, Schmerz, Triebe, Eifersucht und Dramen — genau der Stoff, aus dem Opern sind. In diesem Spannungsfeld bewegt sich das Festspielprogramm in diesem Jahr. Als Besucher muss man dieses Vorwissen nicht unbedingt haben, um unser Programm genießen zu können, aber vielleicht ist dieser rote Faden für den einen oder anderen auch ein Anreiz zum genaueren Hinhören.


Erstmals in der Geschichte der Festspiele macht ein künstlerischer Leiter beides: Konzert und Oper. Wie fühlt sich das an?

(lacht) Vor allem nach sehr viel Arbeit. Diese personelle Verknüpfung bietet aber auch die Chance einer inhaltlichen Verknüpfung der beiden Bereiche. Und sie schließt — ganz pragmatisch gedacht — logistische Kollisionen zwischen Opern- und Konzertplanung aus.


Was werden Sie als neue künstlerische Leiterin der Festspiele bewahren?

Den Leitgedanken der Schwetzinger SWR Festspiele: „Altes wiederentdecken, Neues wagen, dem Nachwuchs eine Chance“. Dabei ist es mir allerdings wichtig, dass Altes und Neues nicht bloß unvermittelt nebeneinanderstehen, sondern miteinander verschränkt werden. So wollen wir mit unserem Programm Kontinuitäten und Brüche in der Musikgeschichte thematisieren und auch deutlich machen, dass das eine ohne das andere nicht geht. Der Rückzug auf die Tradition macht ein Festival zum Museum und die ausschließliche Fokussierung auf das Neue sollte speziell profilierten Festivals wie den Donaueschinger Musiktagen oder den Wittener Tagen für Neue Kammermusik vorbehalten bleiben. Ich plädiere für dramaturgisch durchdachte Programme, die gleichermaßen konfrontieren und vermitteln, und ich spüre auch bei den Interpreten eine zunehmende Sehnsucht in diese Richtung, weg vom Spezialistentum. Ich denke, die Programme meines ersten Jahrgangs zeigen ganz gut, in welche Richtung es geht.


2017 wird es zum ersten Mal einen „Musikalischen Parcours“ geben, bei dem Musiker in Geschäften der Carl-Theodor-Straße in Schwetzingen Kurzkonzerte geben. Wie kam es zu dieser Idee?

Ich denke, die Festspiele sollten sich öffnen und der Stadt, die uns diese wunderbare Kulisse bietet, auch etwas zurückgeben — für alle und bei freiem Eintritt. Die Carl-Theodor-Straße mit ihren akkurat beschnittenen Linden führt in schönster barocker Symmetrie und Geradlinigkeit direkt zum Schloss, dem Festspielzentrum. Und den Weg dahin musikalisch zu gestalten, schien mir eine reizvolle Idee, die ausgesprochen positive Resonanz gefunden hat.


Welche weiteren neuen Formate wird es geben?

Zum Beispiel eine kleine Reihe in der Orangerie, einem Raum mit ganz speziellem Charakter. Die Konzerte stehen unter dem Titel „Grenzgänge“ und laden zu späterer Stunde ein, Künstler von internationalem Format zu erleben, die souverän zwischen den musikalischen Welten pendeln, in der klassischen und neuen Musik genauso zu Hause sind wie im Jazz oder in der improvisierten Musik. In den nächsten Jahren werden wir hier auch Musiker aus anderen Kulturen erleben. Dabei ist mir wichtig, dass es sich um Künstler handelt, die diese Grenzgänge auch wirklich ernsthaft betreiben und nicht nur mehr oder weniger planlos in Nachbars Garten wildern, wie es sich leider allzu oft beobachten lässt, wenn der Begriff „Crossover“ ins Spiel kommt. ‹


Tipp: Ab 2017 sind die Festspiele im Netz so präsent wie nie. Auf dem Portal »SWR Classic« können Sie Konzerte und Aufführungen auch online in hoher Klang- und Bildqualität erleben.

Schwetzinger SWR Festspiele

Die Schwetzinger SWR Festspiele sind seit 1952 ein internationales Festival der klassischen Musik. Jährlich präsentieren sie im Frühjahr in den historischen Räumlichkeiten des Schwetzinger Schlosses über 50 Konzerte. Ihre Veranstaltungen werden vom Rundfunk begleitet und weltweit gesendet. Neben zahlreichen Konzerten umfasst das Programm auch Oper und Musiktheater, Klanginstallationen und viele SWR2 Sendungen vor Ort. Im Auftrag der Festspiele entsteht jedes Jahr eine Musiktheaterproduktion, mit deren Uraufführung die Saison festlich eröffnet wird.
TerminFR 28. April bis SA 27. Mai 2017
AdresseSchwetzinger SWR Festspiele gGmbH // Hans-Bredow-Straße // 76530 Baden-Baden //Kartentelefon: 07221 300200
SpielorteSchwetzinger Schloss, Dom zu Speyer und Kirche St. Joseph, Speyer
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