Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz

Musik der Metropolen

› Die Zentren in Europa und Übersee — Berlin, Prag, Wien, London und New York — waren in den wilden 1920er-Jahren Ausgangspunkte künstlerischer Innovationen, Orte voll intellektuellem Esprit. Sie gaben der Welt einen schwindelerregend-progressiven Takt vor, der die Menschen zu gleichen Teilen erschütterte wie antrieb. Diesen Takt greift die Deutsche Staatsphilharmonie bei ihrem Festival Modern Times auf, bei dem Kompositionen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind, sowie das Lebensgefühl der damaligen Zeit im Zentrum stehen.
  • Als sich der Sohn des herrschenden Industriemagnaten in die Arbeiterin Maria verliebt, wird er erstmals in seinem Leben mit dem Elend der Unterschicht konfrontiert
Zum Auftakt der Festival-Reise geht es nach Berlin beziehungsweise ins fiktive Metropolis. Metropolis ist die riesige Stadt aus dem Stummfilm-Klassiker von Fritz Lang. Dort müssen die Arbeiter*innen unter der Erde leben. Als sich der Sohn des herrschenden Industriemagnaten in die Arbeiterin Maria verliebt, wird er erstmals in seinem Leben mit dem Elend der Unterschicht konfrontiert. Im Rahmen von Modern Times wird Metropolis mit Live-Orchesterbegleitung im Pfalzbau aufgeführt. Der Film hat Maßstäbe für die gesamte Filmkunst gesetzt, weshalb ihn die UNESCO als ersten Film überhaupt in das Register „Memory of the World“ aufgenommen hat. 2010 gelang es, ihn zu rekonstruieren, denn die Originalfassung galt lange als verschollen: Schon kurze Zeit nach der Premiere 1927 im Berliner Ufa-Palast am Zoo war der Film gekürzt und seitdem nur in dieser Fassung gezeigt worden. Dank einer 2008 in Buenos Aires gefundenen Kopie gelang es, die früheren Lücken weitgehend zu füllen. Dabei war auch die Filmmusik von Gottfried Huppertz hilfreich. Die aufgetauchte 16mm-Kopie warf für eine erneute Rekonstruktion unerwartete Fragen auf. Das überlieferte Notenmaterial bestätigte in vielen Fällen die neuen Schnittfolgen der argentinischen Version.
  • Me and my girl — Das Musical von Noel Gay, hier in einer Londoner Inszenierung von 1985 mit Robert Lindsay und Emma Thompson, wird im Rahmen des Young Classic Project aufgeführt.
Weitaus heiterer als die dystopische Liebesgeschichte in Metropolis ist die Romanze von Bill und Sally im Musical „Me and my girl“ von Noel Gay. Es war in den 1930er-Jahren das erfolgreichste britische Musical und wurde 1940 unter dem Titel „The Lambeth Walk“ verfilmt. Als männliche Version von „My Fair Lady“ bezaubert die Geschichte mit viel Humor und Ohrwürmern und ist zugleich eine Satire auf den englischen Adel. Das Musical ist ein Klassiker im Londoner West End und wurde seit seiner Entstehung mehr als 5.000 Mal gespielt. In der Philharmonie Ludwigshafen wird das Musiktheater in deutscher Sprache mit englischen Songtexten dargeboten. Die Aufführung ist Ergebnis des Young Classic Project. Zur Förderung und Unterstützung von jungen Initiativen in der Metropolregion Rhein-Neckar kooperiert die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz hierfür mit dem Kettenheimer Hof e.V. Das Projektensemble besteht aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus der Region, die auch Organisation und Inszenierung komplett selbst in die Hand nehmen. Insgesamt werden etwa 60 junge Musiker*innen auf der Bühne zu sehen und zu hören sein — 25 Mitglieder im Orchester und 32 Sänger*innen — dazu kommen drei Ton- und Lichttechniker. Die musikalische Leitung wird von Moritz Pfister übernommen — ein ebenfalls erst 18-jähriger Dirigent, Komponist, Geiger und Pianist.

An gleich drei Abenden — Prag, New York und Wien — steht Chefdirigent Michael Francis am Pult. Arnold Schönbergs „Pierrot lunaire“ wird am Prag-Abend zu hören sein. Am New-York-Abend präsentiert die Staatsphilharmonie charakteristische Sounds des Big Apple: Nikolai Kapustins „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5“, George Gershwins „An American in Paris“ sowie Michael Daughertys „Metropolis Symphony“. Und am Wien-Abend schließlich steht Mahlers monumentale 9. Sinfonie auf dem Programm. Am Abend zuvor spricht Michael Francis beim Late Night Talk über das letzte vollendete Werk des Komponisten. Was steckt in dieser revolutionären Musik, die das Publikum 1912 in Wien völlig überforderte? Was ist das Neue in der Sinfonie, in der seine Zeitgenossen Arnold Schönberg und Alban Berg den Übergang zu einer neuen Epoche sahen? Francis wird Licht ins Dunkel bringen und durch das Dickicht der Mahler’schen Tonsprache geleiten.

Ohnehin soll der Austausch mit dem Publikum und das gemeinsame Ausklingen-Lassen der Konzertprogramme in diesem Jahr besonders viel Raum bekommen — die Festivalbar im Foyer der Philharmonie lädt zum gemütlichen Beisammensein bei freiem Eintritt ein. Gute Zeiten bei Modern Times sind so sicher nicht zu viel versprochen — also rechtzeitig Karten sichern! ‹

Modern Times
01. bis 16. September 2023
Philharmonie und Pfalzbau Ludwigshafen
www.staatsphilharmonie.de
Info! Der Vorverkauf startet am 22. Juni
Hereinspaziert!
Die Staatsphilharmonie lädt im Rahmen des Festivals Modern Times zum Tag der offenen Tür ein. Am 10. September können Interessierte einen Blick hinter die Kulissen werfen und das Orchester kennenlernen. Vom großen sinfonischen Orchesterklang über Salonmusik bei Torte und Kaffee bis hin zu Ensembles mit Klangexperimenten und Sounds der vielfältigen Kulturen dieser Erde ist für jeden Geschmack etwas dabei. Tag der offenen Tür, 10. September, ab 11 Uhr, Philharmonie, Ludwigshafen
Bildnachweis:
© Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung( Filmszenen Metropolis)

Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz

Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz ist das größte und bedeutendste Orchester des Bundeslandes. Seinen Sitz hat es in Ludwigshafen und gehört zu den vielseitigsten Sinfonieorchestern der Metropolregion Rhein-Neckar mit einer großen Bandbreite, die von Sinfonik über Musiktheater bis hin zu Filmmusik reicht. Mit ihrem Programm von 110 Konzerten an 20 verschiedenen Spielorten und mit fast 90 Künstlern aus aller Welt erreicht die Staatsphilharmonie Menschen jeden Alters zwischen Mainz und Karlsruhe, zwischen Heidelberg und Trier. Die hervorragende künstlerische Qualität des Orchesters beweisen unter anderem auch die zahlreichen Auszeichnungen. So wurde die Staatsphilharmonie 2015 mit dem ECHO Klassik in der Kategorie „Orchester des Jahres” ausgezeichnet, ihr Konzertangebot wurde zudem in der Saison 2016/2017 vom Deutschen Musikverleger-Verband als „Bestes Konzertprogramm“ prämiert.
TerminFR 01. bis SA 16. September 2023
AdresseDeutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz // Heinigstraße 40 // 67059 Ludwigshafen // Telefon: 0621 59909-0 // E-Mail: info@staatsphilharmonie.de
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