Kunsthalle Mannheim

Maler der Masken

› James Ensor gilt heute als Vorreiter der Moderne, der mit einer großen stilistischen und motivischen Vielfalt fasziniert. Die Mannheimer Kunsthalle erkannte schon früh den künstlerischen Wert des im belgischen Ostende geborenen Malers — mit einer Einzelausstellung zu Ensor im Jahr 1928 war das Museum eines der ersten in Deutschland, das den Künstler würdigte. Das Schicksal eines seiner berühmtesten Werke ist so auch tief mit der Geschichte der Kunsthalle verknüpft und führt bis in die 1920er-Jahre zurück. James Ensors „Der Tod und die Masken“ gehörte einst zur hauseigenen Sammlung. 1937 wurde das Gemälde von den Nationalsozialisten als „entartet“ beschlagnahmt und landete schließlich im Musée des Beaux-Arts Lüttich, wo es sich noch heute befindet.

Temporäre Rückkehr

Anlässlich einer Sonderschau kehrt das Werk nach Mannheim zurück und wird zusammen mit rund 60 weiteren Gemälden, 120 Grafiken sowie einigen Masken aus Ensors eigener Sammlung in den historisch bedeutenden Räumen des Jugendstilbaus präsentiert. „Der besondere Reiz dieser Schau liegt nicht nur in der Strahlkraft der Objekte, die wir zeigen werden, sondern auch darin, dass wir unsere eigene Museums- und Sammlungsgeschichte und die Kunstgeschichte miteinander verknüpfen“, erklärt Dr. Inge Herold, stellvertretende Direktorin der Kunsthalle und Kuratorin der Schau. „Es macht uns sehr glücklich und ist eine kleine Sensation, dass uns das Museum in Lüttich unterstützt und wir unser verlorenes Bild wieder in unserem Haus zeigen können. Diese temporäre Rückkehr war auch Ausgangspunkt der Ausstellungsidee.“
  • In der Schau sind neben den Gemälden Ensors, auch Masken aus seiner privaten Sammlung zu sehen. Maske aus Ensors Besitz, Mu.ZEE, Ostende © Mu.ZEE, Foto: Cedric Verhelst
„Der Tod und die Masken“ ist eines der bedeutendsten Gemälde Ensors und wird ab Juni zusammen mit zwei weiteren Gemälden das Zentrum der Mannheimer Schau bilden. In den 1950er-Jahren erwarb die Kunsthalle als Ersatz für das beschlagnahmte Bild das Stillleben „Der tote Hahn“. Als Bild im Bild taucht dieses im berühmten Gemälde „Das malende Skelett“ auf. Um diese drei Bilder werden sich weitere internationale Leihgaben zum Motivkreis Selbstbildnis — Maske — Tod — Stillleben gruppieren, die zeigen, wie eng verflochten diese Thematik in Ensors Schaffen war.

Ein Meister des Stillebens

Dass sich Ensor intensiv mit Masken beschäftigt, ist kein Zufall, sondern liegt in seiner Biografie begründet: In seiner Heimatstadt Ostende war es Brauch, während der Karnevalszeit Masken und Verkleidungen anzulegen, den Alltag abzustreifen und Konventionen zu brechen. Ensors Eltern besaßen zudem einen Souvenirladen, wo er schon früh von diesen Objekten umgeben war, über die Jahre wurde er auch zum Sammler. Die Maske wurde Ensor zum Motiv, das für die Verschmelzung von Realitätsebenen und für Täuschung und Demaskierung steht. Seine Auseinandersetzung mit dem Tod gemahnt an die Vergänglichkeit, ist immer aber auch von Ironie geprägt. Ensor war ein Meister des Stilllebens und überraschte im Spätwerk durch bukolisch-heitere Darstellungen von Liebesgärten. Neben seiner Malerei schrieb und komponierte er, entwarf ein Ballett mit Musik und Kostümen.

Lässiges Spiel mit Motiven und Techniken

Zu entdecken ist für die Besucher*innen der Mannheimer Schau das komplexe Werk eines eigenwilligen Außenseiters, der von Künstlerkolleg*innen geschätzt wurde und als Vorläufer Aspekte der Moderne vorwegnahm. Werk und Person sind gleichermaßen von Ambivalenzen geprägt. Sein lässiges Spiel mit Motiven und Techniken steht in Kontrast zu seiner auch ikonografischen Verwurzelung in der flämischen Tradition. Zwar hielt er an überlieferten Bildgattungen wie Landschaft, Porträt, Stillleben oder Interieur fest, gleichzeitig nahm er jedoch auch Anregungen aus den Nachbarkünsten auf, seien es Volkskunst, Theater oder Karikatur. Zudem nutzte er das junge Medium der Fotografie als Vorlage. Bemerkenswert ist auch der Einsatz von Schrift in zahlreichen seiner Werke, mittels der er gesellschaftspolitische oder auch tagesaktuelle Ereignisse kommentierte. ‹

James Ensor
11. Juni bis 3. Oktober 2021, Kunsthalle Mannheim
kuma.art
Bildnachweis:
James Ensor, Der Tod und die Masken, 1897; © Liège, Musée des Beaux-Arts - La Boverie, James Ensor, Das malende Skelett, 1896-97; Koninklijk Museum voor Schone Kunsten,Antwerpen; © Hugo Maertens, Karneval in Flandern, 1931, Stedelijk Museum Amsterdam

Kunsthalle Mannheim

Die Kunsthalle Mannheim zählt mit ihren Spitzenwerken von Edouard Manet bis Francis Bacon und ihrem Skulpturenschwerpunkt zu den renommiertesten Sammlungen von deutscher und internationaler Kunst der Moderne und der Gegenwart. Hochkarätige Sonderschauen internationaler zeitgenössischer Kunst vervollständigen das Ausstellungsprogramm. Gezeigt werden sie im Kerngebäude, dem imposanten, frisch sanierten Jugendstilbau von Hermann Billing aus dem Jahre 1907. Bis 2017 entsteht außerdem ein zukunftsweisender Neubau, der die Ausstellungsfläche um rund 1.300 Quadratmetern erweitert.
TerminFR 11. Juni bis SO 03. Oktober 2021
AdresseKunsthalle Mannheim // Friedrichplatz 4 // 68165 Mannheim // Tel. 0621 293 6413 // kunsthalle@mannheim.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag 10–18 Uhr, Mittwoch 10–20 Uhr, 1. Mittwoch im Monat 18-22 Uhr (freier Eintritt)
  • Das sollten Sie nicht verpassen

    Letzte Chance! Die Anselm-Kiefer-Ausstellung ist noch bis August in der Mannheimer ­Kunsthalle zu erleben. Kiefer gehört zu den wichtigsten Künstlern unserer Zeit. Die Ausstellung konzentriert sich auf drei wichtige Werkphasen: Von frühen Arbeiten wie „Große Fracht“ (1981/1996) mit applizierten Bleiobjekten über die vielteilige Installation „Palmsonntag“ (2007) bis zu der raumgreifenden Skulptur „Der verlorene Buchstabe“ (2011–2017) werden großformatige, mehrdimensionale Bilder und Skulpturen ­gezeigt.
    Bis 22.08.2021, Kunsthalle Mannheim, kuma.art
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