Reiss-Engelhorn-Museen

Goldschatz von der Insel

› Der Schatz der Nibelungen, die Liebespfeile Amors, die vom Himmel fallenden Sterntaler bei den Brüdern Grimm. Sie alle waren aus Gold. Unzählige Beispiele ließen sich noch finden, denn kaum ein anderes Material weckt mehr Begehrlichkeiten, ist mythenbeladener und symbolträchtiger als das glänzende Edelmetall. In jeder Hochkultur hat es einen festen Platz und steht nicht selten für das Göttliche selbst. Auch auf der Vulkaninsel Java war Gold einst ein Ausdrucksmittel gehobener Schichten und Würdenträger: Über ein Jahrtausend hinduistischer und buddhistischer Herrschaft haben auf der Insel goldene Spuren hinterlassen, die in der Schau „Javagold — Pracht und Schönheit Indonesiens“ entdeckt werden können.

400 einzigartige Schätze

Meisterhafte Schmuckwerke, beeindruckende Insignien und prunkvolle Kunst- und Kultobjekte verliehen Java einst einen Glanz, wie man ihn dort heute kaum noch vermuten würde. Zumal es vor Ort derartige Bodenschätze gar nicht gab: „Bis heute sind weder prähistorische noch moderne Goldminen bekannt“, berichtet Dr. Sarah Nelly Friedland, Kuratorin der Schau. „Nach geologischen Erkenntnissen gibt es auf Java keine nennenswerten Goldlagerstätten. Das bedeutet, dass die javanischen Herrscher ihren Goldbedarf durch Handel und Einfuhr aus anderen Gebieten decken mussten.“ Und der Bedarf war groß, wie die zahlreichen Funde zeigen. Die Mannheimer Schau vereint allein rund 400 einzigartige Schätze aus dem 7. bis 15. Jahrhundert. Ein Großteil der aus einer Privatsammlung stammenden Kostbarkeiten ist erstmals öffentlich zu sehen.
  • Elefantengott Ganesha, Java, 7. bis 15. Jahrhundert n. Chr. Ganesha ist der Sohn Shivas. In seinen vier Händen hält er einen abgebrochenen Stoßzahn, einen Rosenkranz, eine Axt und eine Schale mit Süßigkeiten, aus der er nascht.© Mauro Magliani
  • Halsketten. Verzierte Endstücke und Verschlüsse von Halsketten Java, 7. bis 15. Jahrhundert n. Chr.
    Die Halsketten sind in verschiedenen Techniken aus Drähten geflochten. Die Verzierungen an Haken und Endstücken weisen vorwiegend florale Motive auf, aber auch geometrische Formen sind erkennbar.
    © Mauro Magliani
  • Tigerkrallen-Kette. Java, 7. bis 15. Jahrhundert n. Chr. Die elf Krallenelemente nehmen zu den Enden hin an Größe ab. Ihre asymmetrische Anordnung ist ungewöhnlich: Sechs krümmen sich nach links und nur fünf nach rechts. Die größeren Elemente weisen doppelte halbkugelige Verzierungen auf, die kleineren herzförmige. Alle sind mit feinen Blattwirbeln und einem Perlrand verziert.© Mauro Magliani
  • Ohrring mit mythologischen Wesen. Java, 14. bis 15. Jahrhundert n. Chr.Der gegossene Ohrring zeigt einen eindrucksvollen Dämonenkopf mit vortretenden Augen unter kräftigen Augenbrauen. Reißzähne ragen von den Wangen nach oben und unten. Blattförmige Haarlocken breiten sich über die Stirn aus und flankieren den Kopf.© Mauro Magliani
Java liegt im Spannungsfeld zwischen Indien und China, zwischen Hinduismus und Buddhismus. Vom 7. bis zum 15. Jahrhundert — in der sogenannten klassischen javanischen Periode — wurde das Inselreich von konkurrierenden Dynastien regiert. Um ihre Herrschaft zu legitimieren, verglichen sich die Könige mit Gottheiten. Sie bauten ein weit verzweigtes Handelsnetz auf und ließen prächtige Tempel- und Palastanlagen erbauen. Gold war als Zeichen von Status, Reichtum und Macht allgegenwärtig. Insbesondere Herrscher waren von Kopf bis Fuß mit kostbarem Goldschmuck ausgestattet. „Meisterwerke aus Gold wie Ringe, Arm- und Halsreifen sowie Diademe waren bestimmten Gruppen, Schichten oder Lebensphasen vorbehalten. Mit Goldobjekten wurden Macht oder religiöse Ansprüche ausgedrückt“, erklärt die Kuratorin. Stets besaßen die filigran verzierten Kleinodien neben ihrer dekorativen Funktion auch rituelle oder soziale Bedeutung. Diese lässt sich an den abwechslungsreichen Motiven ablesen.

Mythenbeladene Goldwesen

Tiere etwa hatten mythologische Bedeutungen, zudem versteckten sich in javanischen Namen häufig Bezüge zu Tieren. Dementsprechend wählten die Menschen gerne Schmuckmotive, mit denen sie eine persönliche Verbindung hatten. Besonders beliebt war das Motiv eines Elefanten. „Elefanten, von denen auch einige in der Ausstellung zu sehen sein werden, assoziierten die Menschen mit Kraft, Wohlstand, Königlichkeit und Fruchtbarkeit“, erläutert Friedland. „Sie waren Göttern wie Ganesha, Indra, Lakshmi, Shiva, aber auch Buddha zugeordnet.“ Auch ein auf den ersten Blick grimmig dreinblickender Kerl wird den Besuchern in der Ausstellung immer wieder begegnen: Kala ist ein mythologisches Wesen, das je nach Zeit und Ort als dämonische Fratze oder als löwenähnlicher Kopf erscheint. Die Darstellung erfolgt immer frontal.

Dass die goldenen Schätze der indonesischen Vulkaninsel nun in Mannheim zu erleben sind, ist Ergebnis einer jahrelangen Forschungskooperation mit der „Golden Lotus Foundation“ aus Singapur. Im Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie (CEZA) der Reiss-Engelhorn-Museen ist die naturwissenschaftliche Untersuchung von archäologischen und historischen Goldobjekten aus verschiedenen Epochen und Kulturkreisen ein Spezialgebiet. „Bereits seit fast zehn Jahren werden die javanischen Goldobjekte beim CEZA untersucht“, berichtet Friedland. „Neben der Überprüfung der Echtheit stehen Erkenntnisse zu Herstellungstechnik und Herkunft bei diesen Arbeiten im Vordergrund.“ Wer sich also nicht nur dem Goldrausch ergeben und im Glanz der Schmuckstücke schwelgen möchte, der kann in der Schau ganz nebenbei noch einiges über aktuelle Forschungsmethoden erfahren. ‹

Javagold. Pracht und Schönheit Indonesiens
bis 13. April 2020
Museum Zeughaus C5, Reiss-Engelhorn-Museen
www.javagold.de
Bildnachweis:
Mauro Magliano

Reiss-Engelhorn-Museen

Die Reiss-Engelhorn-Museen sind ein international agierender Museumsverbund mit vier Ausstellungshäusern im Herzen Mannheims. Ihr breites Sammlungsspektrum und ihre Sonderausstellungen vermitteln kulturgeschichtliche Vergangenheit und Gegenwart. Außerdem werden drei Forschungseinrichtungen betrieben. Mit all diesen Aktivitäten haben sich die Reiss-Engelhorn-Museen weit über die Region hinaus einen Namen gemacht.
AdresseReiss-Engelhorn-Museen // Museum Weltkulturen D5 // 68159 Mannheim // Telefon: 0621 2933150 // E-Mail: reiss-engelhorn-museen@​mannheim.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag (auch an Feiertagen) 11–18 Uhr
facebooktwitterg+Mail