Reiss-Engelhorn-Museen

Fotograf des Spektakels

› Die Schau verspricht ein Glücksfall für die Fotografie zu werden. „Wir betreten hier wirklich Neuland: Es handelt sich um die erste große Würdigung von Gaston Paris überhaupt“, betont Generaldirektor Alfried Wieczorek. Zu Lebzeiten des Fotografen (1905–1964) wurde sein Werk kurioserweise nie mit einer Ausstellung gewürdigt. Auch existieren kaum Zeugnisse oder Dokumente, die Aufschluss über seine familiären Umstände und seine Arbeitsweise geben könnten. Was bleibt, ist der fotografische Negativ-Nachlass, der von der Agentur Roger Viollet betreut wird, und ein Konvolut an Original-Abzügen und Magazinen in der Sammlung des Centre Pompidou.

Die Kuratoren Michel Frizot, Florian Ebner und Claude W. Sui leisteten echte wissenschaftliche Grundlagenforschung bei der Hebung des fotografischen Schatzes. Wie kaum ein anderer Fotograf der glamourösen Vorkriegszeit beherrschte Gaston Paris nahezu jedes Genre und jedes Thema — seien es Aufnahmen moderner Architektur oder technischer Erfindungen, seien es Porträts von alten Frauen und spielenden Kindern oder Akrobaten unter der Zirkuskuppel. Mit seiner Mittelformatkamera dokumentierte und inszenierte der Alleskönner seine Sicht auf die vielfältigen Seiten der pulsierenden Metropole. Dabei gelang es ihm scheinbar mühelos, sich Praktiken des Neuen Sehens (extreme Perspektiven) wie des Surrealismus (rätselhafte Schaufensterpuppen) anzueignen.
  • Gaston Paris arbeitete als Reportage-Fotograf für namhafte Magazine. (Foto: Gaston Paris/Roger-Viollet)
  • Der Einfluss zeitgenössischer Kunstströmungen wie etwa des Surrealismus sind in den Werken deutlich zu erkennen. Wachspuppe vor dem Transport nach Kanada Musée Grévin, Paris, um 1934. (Foto: Gaston Paris/Roger-Violett)
  • Nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentierte Paris die Besatzungszonen in Deutschland und Österreich. Wie hier das Gefangenenlager „Oradour“, errichtet von der französischen Besatzungsmacht für Nazi- Gefangene in Tirol, 1945/46. Der Name „Oradour“ erinnert an den Ort in Frankreich, den die SS aus Rache für Partisanenangriffe vollkommen zerstört hatte.(Foto Gaston Paris/Roger-Viollet)
Verarmt und vergessen
Doch anders als etwa seine Kollegen Robert Capa und Henri Cartier-Bresson, die später die berühmte Agentur Magnum Photos gründeten, erinnert sich heute kaum noch jemand an den Mann mit dem einprägsamen Namen. Während Fotografen wie Robert Doisneau sich der humanistischen Fotografie zuwandten, inszenierte Gaston Paris mit Schauspielern fortan triviale Fotoromane. Er starb verarmt und vergessen.

Umso bemerkenswerter ist, dass die große Überblicksschau in Mannheim ihre Premiere feiert. Sie bildet den Auftakt zu einer langfristigen Kooperation mit dem Pariser Centre Pompidou, wo die Ausstellung im Anschluss zu sehen ist. „Wir möchten die gesamte Bandbreite der Fotografie von den Anfängen bis zur Gegenwart abbilden“, sagt Alfried Wieczorek. Voraussichtlich ab 2021 soll die Lichtbildkunst ein neues Domizil im Museumsneubau erhalten, der den Mannheimer Mäzenen Peter und Traudel Engelhorn gewidmet ist. ‹

Tipp! Zur Schau erscheint im Verlag Walther König ein reich bebilderter Katalog — mit freundlicher Unterstützung des Fördererkreises für die Reiss-Engelhorn-Museen.


Gaston Paris. Die unersättliche Kamera
Eine Ausstellung des Centre Pompidou, Paris, und der Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim
23. März bis 30. Juni 2019
Reiss-Engelhorn-Museen, Forum Internationale Photographie, Mannheim
Dienstag bis Sonntag 11–18 Uhr, Verlängerte Öffnungszeiten: am 17.04., 15.05. und 07.06.2019 bis 20 Uhr
www.gaston-paris.de




Im Zeichen der Fotografie ...


In den Reiss-Engelhorn-Museen wird das Thema Fotografie großgeschrieben. Neben Gaston Paris sind 2019
in ZEPHYR — Raum für Fotografie zwei weitere große Fotokünstler zu erleben.
  • Der Fliegende Schwarze, Paris, 1983 (Foto: Gerhard Vormwald)
Gerhard Vormwald
Sein Markenzeichen waren surreale Bilder mit fliegenden Menschen und kopfstehenden Räumen, in denen die Schwerkraft nicht galt. Gerhard Vormwald verband seine unbedingte Lust am Neuen mit höchsten technischen Standards. Drei Jahre nach seinem Tod wirft ZEPHYR nun einen Blick auf das Werk des 1948 in Heidelberg geborenen Künstlers.
vom 13.04. bis 30.06.2019
  • Fancy Shoes, 1966, Vilnius (Foto: Antanas Sutkus)
Antanas Sutkus
Seit den späten 1950er-Jahren porträtierte der litauische Meisterfotograf Antanas Sutkus (*1939) die Menschen seines Landes, wie sie den Alltag meistern. Die umfassende Retrospektive „KOSMOS“ zeigt Junge und Alte, Kinder und Arbeiter, Künstler und Bauern, Stadt und Land, Moderne und Tradition, Abschied und Begegnung, Verkehr und Langeweile oder einfach nur den Regen.
vom 08.09.2019 bis 26.01.2020

ZEPHYR — Raum für Fotografie
Zu Gast im Museum Zeughaus C5
zephyr-mannheim.com
Bildnachweis:
© Gaston Paris/Roger-Viollet

Reiss-Engelhorn-Museen

Die Reiss-Engelhorn-Museen sind ein international agierender Museumsverbund mit vier Ausstellungshäusern im Herzen Mannheims. Ihr breites Sammlungsspektrum und ihre Sonderausstellungen vermitteln kulturgeschichtliche Vergangenheit und Gegenwart. Außerdem werden drei Forschungseinrichtungen betrieben. Mit all diesen Aktivitäten haben sich die Reiss-Engelhorn-Museen weit über die Region hinaus einen Namen gemacht.
AdresseReiss-Engelhorn-Museen // Museum Weltkulturen D5 // 68159 Mannheim // Telefon: 0621 2933150 // E-Mail: reiss-engelhorn-museen@​mannheim.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag (auch an Feiertagen) 11–18 Uhr
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