Hambacher Schloss

Federn der Freiheit

> „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ — dieses Diktum beschreibt sicher die Stimmung sehr gut, die unter den progressiven Kräften in Deutschland Anfang der 1820er-Jahre herrschte. Der Deutsche Bund hatte mit den Karlsbader Beschlüssen jeglichen revolutionären, liberalen und nationalen Bestrebungen ein jähes und brutales Ende bereitet. Die Restauration hatte — zumindest vorläufig — gesiegt!

Was die Gesandten der Mitgliedsstaaten des Deutschen Bunds allerdings nicht ahnten, war, dass sie mit ihren Beschlüssen zu Zensur und Presserecht eine der großen Blütezeiten der Karikatur einläuteten. Denn die Antworten freiheitlich-liberaler Künstler und Verleger auf die reaktionären Erlasse waren nicht selten von spitzem Humor und beißender Ironie geprägt. Viele Spottblätter entstanden dabei während der „kleinen Bilderfreiheit“: Wahrscheinlich von einem England-Aufenthalt und der Bekanntschaft mit den dort beliebten Karikaturen beeinflusst, hob der preußische König Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1842 die Vorzensur für Bilder auf. Allerdings ruderte der Monarch schon bald wieder zurück und verfügte erneut die Durchsetzung der Präventiv-Zensur durch die örtlichen Polizeibehörden. Ganze acht Monate hatte die „Bilderfreiheit“ gewährt.

Der „deutsche Michel“ als Pflegefall

Und doch genügte diese kurze Zeitspanne, um Werke wie die Karikatur „Der deutsche Michel“ von 1842 hervorzubringen, die zu einer der populärsten Blätter ihrer Zeit wurde. Das Spottblatt bezieht sich auf die im national und liberal gesinnten Bürgertum vorherrschende Stimmung. Sie sahen Deutschland von den europäischen Mächten umringt und in seiner Souveränität beeinträchtigt. Nur ein „Erwachen“ Michels konnte daran etwas ändern: Der Ruf nach der Einheit Deutschlands und nach der Unabhängigkeit von fremden Mächten wurde lauter.

Dieses Blatt ist eines der zentralen Exponate der Ausstellung „Presse und Zensur im Vormärz“, die in diesem Frühjahr im Hambacher Schloss zu sehen ist. „Im Rahmen dieser Sonderausstellung gibt es noch ein ganz besonderes Exponat zu bestaunen: das Skizzenbüchlein aus dem Umfeld des Hambacher Festes“, erläutert Schlossmanagerin Ulrike Dittrich. Das Büchlein enthält insgesamt 25 zeitgenössische Porträts, darunter auch von prominenten Teilnehmern des Hambacher Festes. Ein Unikat von hohem künstlerischen und historischem Wert.
  • hambacher fest schloss rudolf lohbauer skizzenbuch straßburg 1832 1836
    Die Ausstellung präsentiert ein bislang unbekanntes Skizzenbüchlein mit Porträts von Vormärz-Aktivisten, wie dem Publizisten und Maler Rudolf Lohbauer.
  • hambacher fest schloss garcon skizzenbuch straßburg 1832 1836
    Auch das Bildnis eines anonymen „Garçon“ findet sich im Skizzen­büchlein, das viele Geheimnisse und Rätsel birgt.
Kleines Büchlein, große Überraschung

„Wir freuen uns sehr über diesen Neuerwerb des Landes Rheinland-Pfalz und sind stolz darauf, das Büchlein erstmals einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren“, betont Dittrich. Auch wenn sich der Künstler hinter dem Büchlein noch nicht zweifelsfrei hat klären lassen, halten die Zeichnungen manche Überraschung bereit: So findet sich in dem Band das früheste bekannte Porträt des Verlegers, Publizisten und Malers Rudolf Lohbauer (1802–1873), der dem Hambacher Fest wichtige Impulse gab. Und auch das Konterfei anderer prominenter Aktivisten wie des Freiheitskämpfers Johann Ernst Arminius von Rauschenplatt (1807–1868) oder des Publizisten Franz Stromeyer (1805–1848) sind in dem Büchlein zu entdecken.

Doch so klein das Buch auch sein mag, es birgt viele Geheimnisse und Rätsel. Fest steht, dass die Zeichnungen zwischen 1832 und 1836 entstanden und dass der Band sich auf das Hambacher Fest bezieht. Worin aber bestand die Verbindung zwischen Zeichner und Porträtierten? Waren sie alle Teilnehmer oder zumindest Sympathisanten des Hambacher Festes?

Spurensuche in Straßburg

Eine heiße Spur führt nach Straßburg, wo das Büchlein nachweislich entstand und wo zahlreiche Flüchtlinge und Exilanten Unterschlupf fanden. Ein weiterer Beleg ist auch der Reisebericht „Flucht von Dresden nach Algier im Jahre 1831“ von Albert August Anders. In dem 1837 veröffentlichten Bericht erwähnt er das Straßburger Wirtshaus „Wilhelm Tell“, in dem er Unterschlupf fand und „viele junge Deutsche und polnische Freiheits-Enthusiasten“ traf — offenbar ebenfalls politische Flüchtlinge.

Wenn auch das Skizzenbuch all seine Geheimnisse zumindest vorläufig nicht preisgibt, so gewährt es dennoch spannende Einblicke in eine bewegte Zeit. Und gerade in bewegten Zeiten wie diesen kann ein Blick zurück in die Geschichte besonders interessant sein. <

Presse und Zensur im Vormärz
verlängert bis 16. Mai 2016
Hambacher Schloss

Hambacher Schloss

Seit im Mai 1832 zum ersten Mal die schwarz-rot-goldene Fahne auf dem Kastanienberg bei Neustadt wehte, gilt das Hambacher Schloss als Wiege der deutschen Demokratie. Heute ist das Schloss eine nationale Gedenkstätte, die mit der Dauerausstellung „Hinauf, hinauf zum Schloss!“ interessante Einblicke in die deutsche (Demokratie-)Geschichte bietet. Bei Veranstaltungsreihen wie den Hambacher Gesprächen, dem Hambacher Disput oder dem Demokratie-Forum Hambacher Schloss sind regelmäßig renommierte Gäste vor Ort, die aktuelle politische Themen beleuchten und diskutieren. Abgerundet wird das Programm durch Sonderausstellungen, Kulturevents (Kabarett, Kindertheater und Konzerte ) und Gastveranstaltungen wie dem Hambacher Fest-Bankett. 2015 wurde die Gedenkstätte Hambacher Schloss als erst zweite Institution in Deutschland mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet.
AdresseStiftung Hambacher Schloss // 67434 Neustadt an der Weinstraße // Telefon: 06321 926290 // E-Mail: info@hambacher-schloss.de
Öffnungszeitentäglich von 10 bis 18 Uhr (April bis Oktober) und von 11 bis 17 Uhr (November bis März)
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