Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Ein Schloss für Carl Philipp

› Der Aufstieg Mannheims zur Residenzstadt begann mit einer Retourkutsche. Carl Philipp, Kurfürst von der Pfalz und Herzog von Jülich-Berg, war von Düsseldorf, wo sein Bruder residierte, in die Heidelberger Residenz der Kurfürsten gezogen. Dort geriet er als katholischer Fürst in Konflikt mit der protestantischen Bevölkerung – wegen des Heidelberger Katechismus und der Nutzung der Heiliggeistkirche. Letztendlich mischten sich sogar die protestantische Schutzmacht Preußen und der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs ein. Sie zwangen den Kurfürsten klein beizugeben, sodass er am 12. April 1720 verkünden ließ, dass seine Residenz nach Mannheim verlegt werde. In Heidelberg dagegen, so schimpfte Carl Philipp, solle Gras auf den Straßen wachsen.
  • schlösser gärten baden-württemberg schloss mannheim kurfürst Carl Philipp
    Kurfürst Carl Philipp ließ das Schloss Mannheim bauen, das als Musterbeispiel sowohl für barocken Baustil als auch für absolutistische Architektur gilt. (Jan Frans van Douven, „Portrait Carl Philipp von der Pfalz“, ca. 1794-1716)
Dass Mannheim zur kurpfälzischen Hauptstadt wurde, hatte auch noch einen weiteren Grund als nur den Streit mit den Heidelbergern. Unter den Fürsten Europas war der Barockstil nach dem Vorbild von Versailles en vogue. Wie die Fürstbischöfe von Speyer in Bruchsal, die Badener in Karlsruhe und Rastatt und die Württemberger in Ludwigsburg, so wollte auch Carl Philipp ein Schloss und eine Stadt im barocken Stil bauen. Ein Umbau des zerstörten Schlosses in Heidelberg zu einer modernen Barockanlage wäre sehr teuer und aufwendig gewesen — deshalb zog Carl Philipp nur kurz in Erwägung, das Schloss wieder auf- oder sogar neu zu bauen.
In Mannheim waren die Voraussetzungen für den Schlossbau besser: Die Lage in der Ebene von Rhein und Neckar war ansprechender als die Hanglage des Heidelberger Schlosses. Das Dorf Mannheim war erst 1606/07 zur Stadt geworden, als Friedrich V. zur militärischen Sicherung der Pfalz dort eine Zitadelle errichten und im gleichen Zuge Mannheim erweitern ließ. Dabei wurden auch die Straßenquadrate angelegt, die Mannheim bis heute so markant prägen. Carl Philipp ließ an der Stelle der im Krieg zerstörten Zitadelle sein Schloss bauen. Der geordnete Straßenverlauf entsprach auch der barocken Stadtplanung, im Gegensatz zum Gassengewirr älterer Städte.

Im 30-jährigen Krieg und im Pfälzischen Erbfolgekrieg war die Festungsstadt mehrfach erobert und zerstört worden. 1720 befand sich Mannheim noch immer im Wiederaufbau, nach der letzten Zerstörung im Jahr 1689. Dadurch hatte der Kurfürst die Möglichkeit, gewissermaßen als Neugründer der Stadt zu fungieren und diese wesentlich zu gestalten. Zusätzlich zur Residenz entstanden die Hofkapelle mit Grablege, eine Hofkirche, ein Ballhaus, eine Reitschule sowie verschiedene Kultureinrichtungen — ein typisches Bauprogramm für Barockstädte. Im Zentrum der Anlage stand aber das Schloss, das über bescheidene 600 Räume und 1.500 Fenster verfügte. Mit einer 440 Meter langen Schaufront war es das zweitgrößte Barockschloss in Europa — nur Versailles war größer. Es überragte alle Gebäude Mannheims außer den Kirchen und war auch über die Festungsmauern hinaus weithin sichtbar — und krönte so die neue Residenzstadt.
  • schlösser gärten baden-württemberg schloss mannheim kurfürst Carl Philipp
    Das Mannheimer Schloss ist eines der größten Barockschlösser Europas. Lange Fluchten bestimmen das und große Säle …
  • schlösser gärten baden-württemberg schloss mannheim kurfürst Carl Philipp rittersaal
    wie der prunkvolle Rittersaal, in dem auch Veranstaltungen und Konzerte stattfinden, …
  • schlösser gärten baden-württemberg schloss mannheim kurfürst Carl Philipp
    der Thronsaal mit seinen kunstvoll gestalteten Wandteppichen …
  • schlösser gärten baden-württemberg schloss mannheim kurfürst Carl Philipp
    oder der Speisesaal, den die Besucherinnen und Besucher mit eingeckter Tafel bewundern können …
  • schlösser gärten baden-württemberg schloss mannheim kurfürst Carl Philipp
    … oder auch das Bibliothekskabinett.
Für Mannheim bedeutete es einen enormen Aufschwung, Residenzstadt zu sein. Der Wiederaufbau der Stadt wurde beschleunigt und zusätzlich zum Hofstaat zogen ein großer Teil der kurpfälzischen Behörden nach Mannheim. Auch die Anzahl der Soldaten wurde stark erhöht und viele Händler folgten dem Hof. Die Zivilbevölkerung Mannheims verdoppelte sich unter Carl Philipp auf bis zu 10.000 — mit Soldaten und Beamten waren es sogar 20.000 Menschen. Durch die Residenzverlegung entwickelte sich Mannheim von einer Garnisonsstadt zu einer barocken Metropole mit europaweiter Ausstrahlung. Die Grundsteinlegung des Schlosses war damit zugleich der Grundstein für Mannheims Bedeutung. ‹

–––

Barockschloss Mannheim
Dienstag bis Sonntag & Feiertag 10–17 Uhr
www.schloss-mannheim.de
Bildnachweis:
Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg öffnen, vermitteln, entwickeln und bewahren 59 der landeseigenen historischen Monumente im deutschen Südwesten. In der Metropolregion Rhein-Neckar ist die Verwaltung der Staatlichen Schlösser & Gärten für das Schloss Heidelberg, das Barockschloss Mannheim sowie Schloss und Schlossgarten Schwetzingen zuständig. Das Themenjahr 2018 steht unter dem Motto „Von Tisch und Tafel“ und lockt die Besucher mit vielen attraktiven Angeboten in die historischen Anlagen.
AdresseStaatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg – Zentrale // Schlossraum 22 a // 76646 Bruchsal // Telefon: 07251 742701 /E-Mail: info@ssg.bwl.de
facebooktwitterg+Mail