Reiss-Engelhorn-Museen

Die Normannen kommen!

› 1066 ist eine Jahreszahl, die viele von uns noch im Kopf haben. Sie markiert die Schlacht von Hastings, in deren Folge der berühmte Wilhelm der Eroberer den englischen Thron erklomm. Damit gelangten die Normannen auf die Insel und gewannen zugleich ihren ersten großen Feldzug — der Auftakt weitreichender Eroberungen. Diesem kriegerischen Stamm ist nun eine umfassende Sonderschau in den Reiss-Engelhorn-Museen gewidmet, die ihren Aufstieg vom 8. bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts nachzeichnet.

Doch wer sind diese Normannen eigentlich? „Umgangssprachlich wird der Begriff häufig Synonym mit dem der Wikinger verwendet. Wir verwenden ihn für eine Gruppe, die sich um das Jahr 1000 in der Normandie ansiedelte und von dort aus expandierte“, erklärt die Historikerin und Projektleiterin der Schau Viola Skiba. Auf den ersten Blick waren die Normannen knallharte Feldherren, denn die „Männer aus dem Norden“ kamen meist als Eroberer. „Auch wenn sie zunächst mit großer Brutalität vorgingen, um sich Land und gegebenenfalls eine Herrschaft zu sichern, verfolgten sie langfristigere Ziele“, berichtet Skiba. „Über allem steht die Erkenntnis, dass Vernetzung keine Erfindung des 21. Jahrhunderts ist: Wir erzählen mit der Ausstellung eine Geschichte über Mobilität, Eroberung und Innovation. Die Normannen haben die Entwicklung Europas maßgeblich mitgestaltet.“
  • Reiss-Engelhorn-Museen Normannen Museo della Basilica di San Nicola
    Emailplatte mit Krönung Rogers II. durch den Hl. Nikolaus, Museo della Basilica di San Nicola, Bari Süditalien, zweites Viertel 12. Jh. Email; H: 44 cm / B: 21,2 cm © Bari, Museo della Basilica di San Nicola , Foto: Beppe Gernone
  • Reiss-Engelhorn-Museen Normannen hisham kalif cordoba Museu Tresor de la Catedral
    Das Hisham-Kästchen ist eines der spektakulärsten Beispiele iberischer Silberschmiedekunst aus dem ausgehenden 10. Jahrhundert. Angefertigt für Hisham II, Kalif von Córdoba (976–1013), verbindet es mit seiner langen und abenteuerlichen Historie die christliche und muslimische Geschichte Spaniens und steht für die facettenreiche Welt, in die die ersten Normannen im 10. und 11. Jahrhundert auf der iberischen Halbinsel trafen.Hisham-Kästchen
    Museu Tresor de la Catedral, Girona, Iberische Halbinsel, ausgehendes 10. Jh. Silberschmiedearbeit mit Niello, vergoldet H: 27 cm / B: 38,5 cm T: 23,5 cm
  • Reiss-Engelhorn-Museen Normannen Museo della Basilica di San Nicola
    Votivkrone Rogers II. Museo della Basilica di San Nicola, Bari, Süditalien, 12. Jh.
    Kupfer, Champlevé-Email, Edelsteine, Fassungen Durchmesser: 26,5 cm © Bari, Museo della Basilica di San Nicola , Foto: Beppe Gernone
  • Reiss-Engelhorn-Museen Normannen Teppich Bayeux
    Ausschnitt des Teppichs von Bayeux, 11. Jahrhundert. Dass die Schlacht von Hastings als Ereignis mitsamt der Vorgeschichte bis heute so detailliert überliefert ist, ist dem Teppich von Bayeux zu verdanken. Dieser erzählt die Eroberung gleich einem Comic auf fast 70 Meter Leinen. Das Original ist nicht in der Schau zu sehen, da dieses nicht auf Reisen gehen darf, aber die Besucher*innen können an einer Mitmachen-Station selbst an einer Replik mitsticken.
  • Reiss-Engelhorn-Museen Normannen  olifant salerno
    Olifant aus Salerno, Musée des Antiquités, Rouen, Elfenbein, 11. Jahrhundert © Musée-Métropole-Rouen-Normandie – Cliché Yohann Deslandes
In puncto Integration können wir von ihnen sogar noch lernen. So akzeptierten sie in den von ihnen eroberten Gebieten vorhandene Strukturen und Bräuche, genauso wie sie ihre eigene Kultur einbrachten: „Ihr Erfolg basierte auf hoher Mobilität, kultureller Flexibilität und Adaptionsfähigkeit sowie dem Drang, zu neuen Ufern aufzubrechen“, weiß Skiba. Mit dieser Fähigkeit integrierend zu wirken, verbinden die Normannen das nördliche Europa mit Italien und dem gesamten Mittelmeerraum. Zugleich führt sie ihr Weg über die Ostsee und durch Osteuropa bis ans Schwarze Meer.

Genauso weitergereist wie die Normannen sind auch die Leihgaben, die in der Ausstellung zu bewundern sind. Zahlreiche bedeutende Museen und Institutionen unterstützen das Projekt. „Hochkarätige Exponate kommen unter anderem aus London, Paris, Barcelona, Palermo und dem Vatikan“, erklärt Skiba. „Einzigartige Handschriften, seltene Textilien, Kunsthandwerk aus Gold und Elfenbein, Schmuck und Waffen machen sich auf den Weg nach Mannheim.“ Darunter befinden sich Preziosen wie die Krone Rogers II., der Viking Raider Stone mit der ältesten bekannten Darstellung eines Wikingerangriffs in Westeuropa (Abb. unten) oder eine Figur der berühmten Schachfiguren von der Insel Lewis.
  • Reiss-Engelhorn-Museen Normannen Viking Raider Stone Lindisfarne
    Der Viking Raider Stone zeigt die wahrscheinlich erste Darstellung eines Wikingerangriffs in Westeuropa. Zu sehen sind mehrere bewaffnete Krieger – die Wikinger –, die ihre Schwerter in die Luft recken. Der Stein wurde im Kloster Lindisfarne im Nordosten Englands gefunden, das 793 n. Chr. von den Nordmännern überfallen wurde. Dieses Ereignis gilt heute als Beginn der Wikingerzeit.
    © Historic England Archive
  • Reiss-Engelhorn-Museen Normannen
    Die kostbare Handschrift aus Oxford zeigt den Traum König Heinrichs I. von England, in dem ihm die drei Stände der englischen Gesellschaft (Bauern, Ritter und Klerus) heimsuchen, sowie das „White Ship“-Schiffsunglück, bei dem der Sohn und Erbe des Königs ertrank.Chronicon ex chronicis, Oxford, Corpus Christi College, Pergament, H: 32,5cm L: 23,7cm, 1128–1140, © by permission of the President and Fellows of Corpus Christi College, Oxford
  • Reiss-Engelhorn-Museen Normannen
    Die Miniatur zeigt die Schlacht bei Hastings am 14. Oktober 1066, die Entscheidungsschlacht der normannischen Eroberung Englands. Die Darstellung, die von einem kurzen Text in anglonormannischer Sprache begleitet wird, zeigt den Tod des angelsächsischen Königs Harold Godwinson durch die Hand Wilhelms „des Eroberers”, der ihn mit einer Lanze durchbohrt. Damit wurde ein Schicksalsmoment der englischen Geschichte bildlich verewigt.Schlacht bei Hastings, The British Library, London, anglonormannischen Handschrift (Cotton Vitellius A XIII/1, fol. 3v) um 1280 / 1300, Pergament, H: 29 cm B: 23 cm, © The British Library Board (Cotton Vitellius A XIII/1, fol. 3v)
Neben rund 300 kostbaren Originalen punktet die Schau mit moderner Wissensvermittlung. Aufwändige Inszenierungen und virtuelle Rekonstruktionen lassen das Mittelalter lebendig werden. Ein Animationsfilm katapultiert direkt in die Schlacht bei Hastings. An Mitmach-Stationen können die Besucher*innen auf Tuchfühlung mit dem mittelalterlichen Alltagsleben gehen und zum Beispiel an einer Mannheimer Version des berühmten Teppichs von Bayeux mitsticken. ‹

Die Normannen
Reiss-Engelhorn-Museen, Museum Zeughaus C5, Mannheim
bis 26. Februar 2023
www.normannen-ausstellung.de
Bildnachweis:
Figürlicher Elfenbeingriff, Antiquarium e Parco Archeologico di Canne della Battaglia, Barletta; anglo-normannische Werkstatt, 2. Viertel 12. Jh. Elfenbein, H: 3cm / B: 5,6 cm T: 2,5 cm

Reiss-Engelhorn-Museen

Die Reiss-Engelhorn-Museen sind ein international agierender Museumsverbund mit vier Ausstellungshäusern im Herzen Mannheims. Ihr breites Sammlungsspektrum und ihre Sonderausstellungen vermitteln kulturgeschichtliche Vergangenheit und Gegenwart. Außerdem werden drei Forschungseinrichtungen betrieben. Mit all diesen Aktivitäten haben sich die Reiss-Engelhorn-Museen weit über die Region hinaus einen Namen gemacht.
AdresseReiss-Engelhorn-Museen // Museum Weltkulturen D5 // 68159 Mannheim // Telefon: 0621 2933150 // E-Mail: reiss-engelhorn-museen@​mannheim.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag (auch an Feiertagen) 11–18 Uhr
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