Reiss-Engelhorn-Museen

Bilder von unterwegs

› „Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn / Die Fahrbahn ist ein graues Band / weiße Streifen, grüner Rand“, sang die Band Kraftwerk in ihrer musikalischen Ode an die deutsche Straßenkultur im Jahr 1974. Auf den ersten Blick ist die Autobahn tatsächlich nicht viel mehr als Asphalt, Markierung und Grünstreifen, doch wer das graue Band unter die Lupe nimmt, erhält einen tiefen Einblick in die deutsche Kultur. Ein Symbol für Freiheit und Fortschritt für die einen, für die anderen Monumente einer untergehenden Mobilitätsepoche.
  • Jörg Brüggemann porträtiert in seiner Serie das deutsche Autobahnnetz...
  • kleine Details sind dabei ebenso zu sehen wie...
  • große Staus...
  • Ōsaka, Dotonbori-Straße anonym, um 1885
Dieser Symbolgehalt faszinierte auch den Berliner Fotografen Jörg Brüggemann; „wie lange noch?“ lautet der lakonische Titel seiner Ausstellung über das 13.100 Kilometer umfassende deutsche Autobahnnetz, die derzeit im Museum Weltkulturen zu sehen ist. „Für sein Fotoprojekt ist Brüggemann von 2015 bis 2019 auf den und längs der deutschen Autobahnen gefahren. Durch die Jahreszeiten ist er neben und auf ihnen gereist und hat sie fotografiert“, erklärt Thomas Schirmböck, Leiter von Zephyr — Raum für Fotografie und Kurator der Schau. Entstanden ist ein bildnerisches Zeitdokument über diesen besonderen Mikrokosmos mit Endlos-Staus, Lkw-Schlangen und Straßenrand-Romantik.

Fotopioniere und Bildikonen

In Zeiten, in denen Staus und Massentourismus noch unbekannt und ferne Destinationen gutbetuchten Bürger*innen vorbehalten waren, nimmt die Schau „In 80 Bildern um die Welt“ mit. Dort sind Reisefotografien zu sehen, die die Besucher*innen quer durch die Jahrhunderte und rund um den Erdball führen. „Seit ihrer Erfindung bewahren Reisefotografien Erinnerungen und laden zum Träumen ein. Das zeigen wir mit Bildern aus dem 19. und 20. Jahrhundert — von frühen Fotopionieren über Bildikonen der legendären STERN-Reporter bis zu Vertretern der klassischen Moderne wie Henri Cartier-Bresson und Robert Häusser“, sagt Prof. Dr. Claude W. Sui, Kurator der Ausstellung. Zu Land, zu Wasser und in der Luft steuert die Ausstellung Sehnsuchtsorte an. „Sie zeigt, wie sich das Reisen, aber auch die Fototechnik im Laufe der Zeit verändert haben.“

Von Rom über die Pyramiden bis zum Fuji

Die Bilder stammen aus den umfangreichen Beständen des Forums Internationale Photographie. Viele davon sind erstmals zu bewundern. Neben dem Robert-Häusser-Archiv und der zeitgenössischen Sammlung des renommierten Fotohistorikers Helmut Gernsheim birgt das Forum einen besonderen Schatz: rund 4.000 einzigartige Albuminpapierabzüge, die Wilhelm, Carl und Anna Reiß von ihren zahlreichen Reisen mit nach Mannheim gebracht haben. Die Geschwister der Mannheimer Unternehmerfamilie gehörten zu jenen wohlhabenden Europäern, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den Weg machten, um die Welt zu erkunden. Die Ausstellung folgt ihnen unter anderem nach Rom, an den Golf von Neapel, zu den Pyramiden in Ägypten, ins Heilige Land und zum Fuji in Japan. Dank der Erfindung der Fotografie wenige Jahre zuvor konnten die neuen Reiseziele dauerhaft und wirklichkeitsgetreu festgehalten werden.
  • Die zweite Fotoausstellung entführt einmal rund um die Welt. Gizeh, an der Pyramidenstraße Pascal Sébah, um 1875
  • Ruhender Reiter, Kamerun Jürgen Heinemann, 1964 © Jürgen Heinemann
  • Kalktuff-Formationen, Mono Lake, Kalifornien Volkhard Hofer, 1988 © Volkhard Hofer
Die ersten Touristen fotografierten jedoch noch nicht selbst, sondern nahmen vor Ort die Dienste von Ateliers in Anspruch, die meistens von europäischen Fotografen betrieben wurden. „Im Zeitalter des Massentourismus und der Digitalfotografie geht von diesen frühen Aufnahmen ein besonderer Zauber aus. Sie bestechen durch ihre Detailschärfe und sind teils kunstvoll handkoloriert“, erklärt Sui. Diesen frühen Aufnahmen stehen in der Ausstellung die Arbeiten bedeutender Fotograf*innen des 20. Jahrhunderts gegenüber. In ihrem jeweils ganz eigenen Stil halten sie nahe und exotische Orte in Schwarz-Weiß und Farbe fest. Darunter befinden sich Werke berühmter STERN-Fotografen, die im Auftrag des Magazins um die ganze Welt jetteten und den Bildjournalimus prägten. ‹
Jörg Brüggemann –  wie lange noch?
bis 06. Januar 2021
ZEPHYR zu Gast im Museum Weltkulturen D5
zephyr-mannheim.com

In 80 Bildern um die Welt
bis 10. Januar 2021
Museum Zeughaus C5
www.rem-mannheim.de

Tipp! Mit dem „Foto-Spezial“-Ticket können Sie beide Ausstellungen zum Sonderpreis besuchen. Das Begleitprogramm bietet zudem Führungen, Lesungen, Vorträge und Künstlergespräche. Und unter www.blog.rem-mannheim.de finden Sie spannende Beiträge zu den Ägypten-Reisen von Anna und Carl Reiß sowie zu einer Bildungsreise des Forschungsreisenden Wilhelm.
Bildnachweis:
Jörg Brüggemann, Baggersee an der A71 bei Erfurt-Stotternheim, Blick über Neapel mit dem Vesuv im Hintergrund, Photocrom Zürich, um 1895

Reiss-Engelhorn-Museen

Die Reiss-Engelhorn-Museen sind ein international agierender Museumsverbund mit vier Ausstellungshäusern im Herzen Mannheims. Ihr breites Sammlungsspektrum und ihre Sonderausstellungen vermitteln kulturgeschichtliche Vergangenheit und Gegenwart. Außerdem werden drei Forschungseinrichtungen betrieben. Mit all diesen Aktivitäten haben sich die Reiss-Engelhorn-Museen weit über die Region hinaus einen Namen gemacht.
AdresseReiss-Engelhorn-Museen // Museum Weltkulturen D5 // 68159 Mannheim // Telefon: 0621 2933150 // E-Mail: reiss-engelhorn-museen@​mannheim.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag (auch an Feiertagen) 11–18 Uhr
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