Schlösser und Gärten Hessen

Die geheimnisvolle Schöne

› Sie hat das gewisse Etwas. Persönlichkeit könnte man es nennen, und Würde. Als geheimnisvolle Schöne wurde sie beschrieben, als Paradiesvogel, der in der dörflichen Fachwerkwelt eigentlich nicht so recht heimisch ist. Dichter und Maler haben sie gepriesen, und auch die Wissenschaft vermochte sie bislang nicht zu entzaubern. Die Rede ist von der Lorscher „Königshalle“.

Obwohl in den letzten Jahren jeder einzelne Stein, jede Fuge untersucht wurde, wissen wir fast nichts über ihr näheres Umfeld, außer dass eines der großen mitteleuropäischen Klöster ihre Kulisse bildete. Heute ist diese Abtei bis auf wenige Reste verschwunden. Von der Kirche, einst einer der größten Sakralbauten des hohen Mittelalters am Oberrhein, ist nur ein fragiles Gerippe geblieben. Wo früher einmal Mönche in großer Klausur tagten, jagen heute Schwalben über ein gepflegtes Grün. Darauf sind die Grundflächen der früheren Bauten markiert wie Abdrücke einer verschwundenen Wirklichkeit.
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    Die Königshalle, hier in einer Darstellung von August Lucas aus dem Jahr 1854, ist das …
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    … einzig nahezu unversehrt erhaltene Gebäude des Klosters. Wissenschaftler haben jetzt …
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    … sein genaues Alter ermittelt:Sie muss um das Jahr 900 erbaut worden sein.
Nur eins steht neuerdings fest: das Alter der geheimnisvollen „Königshalle“. Sie muss um 900 — also rund 90 Jahre nach dem Tod Karls des Großen — gebaut worden sein — und damit in einer bewegten Zeit, in der die Weichen für einen Dynastiewechsel gestellt wurden. Ihr Bauherr war wohl Hatto, einer der mächtigen geistlichen Aristokraten seiner Zeit, dem der Kaiser Lorsch übertragen hatte. „Die einzigartige Zier ihrer Fassaden — das Spiel mit antiker Steinmetzkunst und der Abstraktion floraler Elemente — ist nicht nur ein eklektizistisches Zitat aus dem Fundus der Antike, sondern Signal eines neuen Ausdruckswillens, der auf dem Alten fußt“, erläutert Dr. Hermann Schefers, Leiter der Welterbestätte Kloster Lorsch. Das behutsam restaurierte Liniengerüst der Fugen offenbare, so Schefers weiter, den Zusammenhang von Ordnung und Schmuck auf der Grundlage von Zahl, Winkel und Maß. Es spiegele das Schöpfungswerk in handwerklicher Perfektion.

Heute ist Gras über die großen Tage von Lorsch gewachsen. Könige und Kaiser, ein Papst sogar — sie alle mögen durch die Tore des Durchgangsgeschosses gezogen sein auf dem Weg zur Kirche, dem eigentlichen Zentrum der Anlage. Der kurz gehaltene Rasen wirkt heute wie ein sanft gewelltes Textil, eine Decke, die sich über ein großes Bodendenkmal ausbreitet. „Wer hier steht, spürt mehr von diesem fast vergangenen Ort der großen Geschichte, als dass er etwas Konkretes erfährt“, findet Schefers. ‹


UNESCO-Welterbe Kloster Lorsch
Dienstag bis Sonntag 10–17 Uhr (an Feiertagen auch montags)
Führungen Königshalle — stündlich von 11–16 Uhr,
Dauer ca. 30–45 Minuten, März bis Oktober: Dienstag bis Sonntag, November bis Februar: Samstag & Sonntag
Hinweis: Besucher können die Königshalle ausschließlich im Rahmen von Führungen besichtigen.
www.kloster-lorsch.de

Staatliche Schlösser und Gärten Hessen

Das UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Lorsch ist das bedeutendste Bauwerk, das die Hessische Schlösserverwaltung in der Metropolregion Rhein-Neckar betreut. Sein Freilichtlabor Lauresham zieht wie auch der romantische Staatspark Fürstenlager in Bensheim-Auerbach Jung und Alt an. Außerdem gehören auch die Burgen Auerbacher Schloss und Hirschhorn zum Einzugsgebiet der Hessen sowie das Erbacher Schloss mit den gräflichen Sammlungen und dem Deutschen Elfenbeinmuseum. Ein weiteres Kleinod ist die Einhardsbasilika in Michelstadt-Steinbach, eines der letzten Beispiele authentisch erhaltener karolingischer Architektur.
AdresseStaatliche Schlösser und Gärten Hessen // Schloss // 61348 Bad Homburg v.d.Höhe // Telefon: 06172 9262-0 // E-Mail: info@schloesser.hessen.de
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